Gegen die Vampire der Geschichte

■ Bei der Einreise in sein Heimatland Nigeria wurde der Schriftsteller Akinwumi Adesokan im November verhaftet. Seitdem befindet er sich in Einzelhaft. Malariakrank und ohne Anwalt

„Ich weiß, daß sich die Lage in meinem Heimatland Nigeria verschlechtert hat“, sagte der Schriftsteller Akinwumi Adesokan Mitte dieses Jahres in einem Interview mit einem kalifornischen Kollegen, „aber ich möchte wieder dorthin zurück. Mein Platz ist dort, auch wenn es ein feindlicher Platz ist. Ich träume davon, daß es auch in meinem Land eine funktionierende zivile Gesellschaft gibt, mit freier Presse und mit Bussen, die pünktlich fahren.“

Dieser Traum hat Akin, wie ihn seine Freunde nennen, nun in Lebensgefahr gebracht: Am 12. November wurde er bei der Einreise nach Nigeria, aus Benin kommend, verhaftet. Seitdem befindet er sich in einem Gefängnis des nigerianischen Staatssicherheitsdienstes in Einzelhaft. Malariakrank, aber ohne medizinische Betreuung. Einen schriftlichen Haftbefehl oder eine förmliche Anklage erhielt er nicht, einmal wurde er verhört. Einen Anwalt hat er nicht.

Schon wieder also ist die Öffentlichkeit herausgefordert, das Leben eines nigerianischen Autors zu retten. Wird sie dieses Mal energischer sein als im Fall von Ken Saro- Wiwa? Auch über ihn hatte Akin Adesokan Artikel veröffentlicht. 1993 hatte er schon einmal eine Woche im Gefängnis verbracht. Und seine Verhaftung ist nur die vorerst letzte in einer ganzen Reihe von willkürlichen Internierungen. Eine Woche zuvor war bereits der Schriftsteller Ogagoa Ofowodo verhaftet worden, ebenfalls an der Grenze zu Benin. Das deutsche PEN-Zentrum hat Protestschreiben an den Machthaber in Lagos und an den deutschen Außenminister gerichtet. Auch der amerikanische Westküsten-PEN setzt sich für Akin Adesokan ein.

Der 30jährige Akin hat politische Artikel geschrieben sowie ein Theaterstück und zwei Romane, deren Veröffentlichung bisher an den politischen Umständen gescheitert ist. Für seinen ersten Roman, „Roots in the sky“ (Wurzeln im Himmel), erhielt er 1996 den Romanpreis des Nigerianischen Schriftstellerverbands. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1997 war er Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles, danach im „Internationalen Haus der Autoren“ in Graz. Bei der Rückkehr aus Österreich wurde er nun verhaftet.

Vierzig Prozent der nigerianischen Autoren leben im Ausland, kaum einer kann oder will zurückkehren. Wenn man Akin Adesokan retten will, muß man ihm wohl auch einen Weg nach Europa oder Amerika ebnen. Manche Länder fügen ihren Künstlern erst Unrecht zu, um sie dann für sich zu vereinnahmen. „Für den Schriftsteller gibt es kein Sicherheitsnetz“, schrieb Akin, „und das stärkt die Vampire der Geschichte.“ Manfred Flügge