Lübecks Modell zur Arbeitspflicht

Zum Straßenfegen wird niemand in Lübeck verdonnert. Vielmehr sollen Sozialhilfeempfänger mit „qualifizierter Arbeit“ versorgt werden. Seit knapp einem Jahr werden Antragsteller, die einen neuen Antrag auf Sozialhilfe stellen, zur „gab“ weitergeleitet. Die gemeinnützige Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH (gab) soll jedem, der fähig ist, innerhalb einer Woche einen Job anbieten. Für Michael Dahm, stellvertretender gab- Personalleiter, schreibt das Konzept Arbeit statt Sozialhilfe schon Erfolgsgeschichte. Im Bereich der gemeinnützigen Arbeit verfüge seine Firma derzeit über mehr als 400 Arbeitsplätze, ausgewiesen von Vereinen, Wohlfahrtsverbänden und den Ämtern der Hansestadt Lübeck.

Gut 500 weitere Stellen könnten nach Bedarf abgerufen werden. Vermittelt wird in Handwerk, Landschaftspflege, Alten- und Krankenpflege und im Bürobereich. Euphorisch ließ die Stadt nach den ersten elf Monaten vermelden, daß 27 Prozent der Antragsteller wegen der neuen Regelung ihr Begehr nach Hilfe nicht mehr weiterverfolgten, dem Sozialamt seien elf Million Mark erspart geblieben. Ein Beweis, daß die Pflicht zur Arbeit mögliche Sozialhilfeempfänger schreckt? Dahm will die Zahl vorsichtig interpretieren: Möglicherweise seien viele auf 610-Mark-Jobs gerutscht oder finanzierten sich anderweitig.

Seit dem Sommer 1996 müssen in Lübeck Neuantragsteller auf Sozialhilfe einen gab-Job annehmen, sofern sie nicht krank sind, alleinerziehend oder älter als 50 Jahre. Allerdings ist niemand verpflichtet, das erstbeste Angebot anzunehmen. „Mitunter machen wir auch sechs Arbeitsvorschläge“, so Dahm. Wichtig sei, daß jeder nach seinen Fähigkeiten eingesetzt werde „und mit dem Job zufrieden ist“. Die Verträge dauern zwischen 12 und 36 Monaten. Renitenten Arbeitsverweigerern wird die Stütze gestutzt. Diejenigen, die arbeiten gehen, erhalten in den ersten sechs Monaten zusätzlich zur Sozialhilfe eine Aufwandsentschädigung. Dahm empfiehlt, sein Modell, das wegen der eingesparten Sozialhilfekosten kostenneutral arbeitet, bundesweit umzusetzten. Auch für Langzeitarbeitslose, die von Arbeitslosenhilfe leben, sei es zu empfehlen. roga