■ Freispruch für Robert Havemanns Richter
: Fatales Signal

In Frankfurt an der Oder ist gestern vor dem Landgericht nichts anderes als ein Freispruch für die Diktatur ergangen. Zwar hat die Stasi den Fahrplan für die Verurteilungen des prominenten Kritikers minutiös verfaßt, auch hatten die Richter und Staatsanwälte in „Hinweisen“ den unbedingten Willen der DDR- Staatsführung zur Ausschaltung Havemanns entgegengenommen, nur Folgen hat das für die DDR-Juristen nicht. Die Begründung des Landgerichts ist dabei einzigartig: Hätten die fünf Richter und zwei Staatsanwälte bei der Aburteilung Havemanns gegen die eigene Überzeugung gehandelt, dann wäre es Rechtsbeugung gewesen. Dann hätte die Stasi rechtswidrig die Regie in den Prozessen geführt. Weil die DDR-Juristen nun aber das gleiche Interesse bei der Verfolgung des Dissidenten wie Staatsspitze und Geheimdienst aufbrachten, bleibt der ganze Vorgang straffrei. Schließlich sei ihnen eine gezielte Umsetzung der Stasi-Vorgaben nicht nachzuweisen. Bravo, so wird vorauseilender Gehorsam geadelt.

Kaum ein Fall politischer Justiz ist so gut dokumentiert wie der Fall Havemann. Die Staatssicherheit kontrollierte die Generalstaatsanwaltschaft, sämtliche Anweisungen und Vorschläge zur juristischen Verfolgung des Regimekritikers kamen von der obersten Stasi-Spitze, sie wurden erst nach Beratung im Politbüro der SED ausgeführt. Dokumentiert ist in den hinterbliebenen Akten auch, wie sich Stasi und Generalstaatsanwaltschaft auf den in der DDR kaum praktizierten „Hausarrest“ einigten. Entsprechend wurde Havemann 1976 unter Hausarrest gestellt und drei Jahre später wegen eines angeblichen Devisenvergehens zu einer hohen Geldstrafe verurteilt.

Fatal ist auch der Hinweis des Gerichts, die DDR- Juristen hätten wegen einer gezielten Personalpolitik eine Höchstmaß an Staatstreue und Konformität mit den politischen Leitbildern aufgebracht. Das mag sogar zutreffen, nur darf das kein Freibrief für den Rechtsbruch sein. Die Unabhängigkeit der Gerichte wurde immerhin auch in der DDR postuliert. Und eine Rechtsbeugung wird nicht dadurch besser, daß man sie freiwillig begeht, daß man sich gegen gültige Gesetze den politischen Vorgaben einer Partei oder Staatsführung unterwirft. Wer so wie das Frankfurter Landgericht mit Staatstreue und Konformität argumentiert, der redet nicht nur einem Mitläufertum das Wort. Er legitimiert damit – ob er will oder nicht – ein System der politischen Justiz. Wolfgang Gast