Bomben gegen Benzin und Reis

■ Mit Luftangriffen setzt Nigeria die westafrikanische Handelsblockade gegen Sierra Leones Militärjunta durch

Berlin (taz) – Alltag in Freetown, Hauptstadt des westafrikanischen Sierra Leone: Flugzeuge der nigerianischen Luftwaffe kreisen über der Stadt. Ab und zu laufen Handelsschiffe den Hafen an. Dann eröffnen die Nigerianer das Feuer – sie wollen damit die internationale Handelsblockade gegen Sierra Leone durchsetzen, die die Militärregierung des Landes zum Rücktritt zwingen soll. Truppen der Armee Sierra Leones, die im Mai per Putsch die Macht ergriffen hat, schießen mit Flugabwehrbatterien zurück. Manchmal schlagen die nigerianischen Raketen auch in Wohngebieten ein.

Am Donnerstag landete die nigerianische Luftwaffe zum ersten Mal einen Volltreffer auf ein Schiff. Ein Öltanker der staatlichen Benzingesellschaft „Napetco“ explodierte und sank, als Nigeria das Gelände der Gesellschaft am Hafen bombardierte. Ein sierraleonischer Regierungssprecher sprach von einem „Blutbad“ und rief die „internationale Gemeinschaft“ auf, Sierra Leone „vor der nigerianischen Aggression zu retten“.

Aus Nigeria wurde der Bombenangriff nicht bestätigt. Nigerianische Medien berichteten hingegen, wenige Tage vorher seien zwei Nigerianer in Freetown bei einer „Menschenjagd“ getötet worden. Dies wiederum nannte Sierra Leones Militärjunta eine „unerhörte Lüge“. Trotzdem rief Nigeria alle seine Staatsbürger dazu auf, das Land zu verlassen. Der Propagandakrieg ist voll im Gange.

Die neuerliche Eskalation ist auf einen Gipfelbeschluß der Regionalorganisation Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) vom 29. August zurückzuführen. Bei diesem Gipfel wurde „ein allgemeines und völliges Embargo“ gegen Sierra Leone verhängt und die in Liberia stationierte, nigerianisch geführte Ecowas-Eingreiftruppe Ecomog ermächtigt, „mit allen notwendigen Mitteln“ die Einhaltung des Embargos zu „erzwingen“. Die Ecomog meint nun, sie dürfe Schiffe jeder Art am Einlaufen nach Freetown hindern, notfalls mit militärischer Gewalt. Seit dem Gipfelbeschluß sind nach Angaben aus Sierra Leone über 50 Menschen bei den Luftangriffen auf die Hafengegend von Freetown ums Leben gekommen. Ein griechischer Frachter voller Reis wurde beschossen, weil Nigeria behauptete, er transportiere Waffen.

Nach UN-Angaben breiten sich in Sierra Leone in Folge der Blockade inzwischen Seuchen und Unterernährung aus. „Die Nigerianer ermuntern und orchestrieren aktiv und bewußt einen völkermörderischen Bürgerkrieg“, protestierte Juntachef Johnny Koroma in einem Brief an die Ecowas am 5. September. Zugleich sagte er, er zähle auf die Vermittlung des Nachbarstaates Guinea, um neue Verhandlungen zu beginnen. Reagiert hat die Ecowas bisher nicht.

Möglicherweise aber bekommt Sierra Leone einen neuen Verbündeten in Person von Charles Taylor, frischgewählter Präsident von Liberia. Der früher von Nigeria bekämpfte Ex-Rebellenchef Taylor sagte kürzlich, ehemalige liberianische Milizen kämpften auf Seiten der Gegner der sierraleonischen Junta, und klagte, 200.000 Menschen seien vor den Kämpfen nach Liberia geflohen. Er sei nicht bereit, Liberia zum Sprungbrett für den Krieg in Sierra Leone werden zu lassen, fügte er hinzu.

Aber genau das ist Liberia: Sprungbrett für Nigerias Militäraktionen in Sierra Leone. So steckt in Taylors Bemerkungen Sprengstoff, der die Krise um Sierra Leone weiter eskalieren lassen könnte. D.J.