„Und der Rest ist Gefühl“

■ Kokoslikör-Maracujanektar-Kreation setzte sich bei Cocktail-Meisterschaften durch

Selbst als sie zwischen drei anderen Barkeepern auf der Bühne steht und das Gemisch aus Aprikosenlikör und Erdbeersirup gelassen im Shaker mischt, wirkt die junge Frau, als könne man ihr alles erzählen. Gelassen läßt Claudia Welsch die Flüssigkeiten ineinander gleiten und wirkt selbst im Rampenlicht der 13. Deutschen Cocktailmeisterschaften so, als würde sie einem zuhören. Eine perfekte Barkeeperin, bei der es nicht nur ein gutes, promillehaltiges Stöffchen gibt, sondern auch ein Lächeln und vielleicht sogar einen guten Rat.

Zusammen mit 44 anderen Barkeepern, neun davon weiblich, war Welsch gestern ins Congreßzentrum Bremen gekommen, um zu ermitteln, wer am besten Hochprozentiges bereitet – und vor allem wie. „Wer Cocktails trinkt, will sich nicht besaufen. Der will genießen. Und auf jeden mußt du anders eingehen,“sagt die Barkeeperin, die normalerweise in einem Mannheimer Hotel Drinks mischt.

Im Kampf um die Mixer-Meisterschaft war solches Wissen zwar nützlich – schließlich gab es nicht nur Punkte für Aussehen, Aroma und Geschmack, sondern auch für das Erscheinungsbild. Zunächst aber galt es, vor gut einhundert geladenen Bremer Gastronomen und Barkeepern, technische Perfektion zu beweisen und einen selbst entworfenen Cocktail zu kredenzen. Welsch versuchte es mit einer fruchtigen Kreation namens Jo-Jo, deren blasses Rot im Vergleich mit der Konkurrenz beinah spießig konventionell wirkte. Bräunlich und zäh fließend etwa schwappte Wladislaw Dawidenkos „Last Order“in die Gläser und schillernd blau wie ein Getränk aus einem Disney-Film flimmerte Stefan Fickers Deep Sea Blue.

Die aus ehemaligen Barkeepern bestehende Techniker-Jury wachte gnadenlos über die Erstellung der Mix-Getränke. Cocktails sind schließlich Vertrauenssache. Logisch also, daß unübersichtlicher Flaschenaufbau, bei dem die Etiketten nicht zum Gast zeigen, Punktabzug bedeutete. Die Verwendung nicht vorgekühlter Gläser (Ausnahme: Longdrinkgläser) gab ebenso Miese wie deren unkorrektes Anfassen.

Doch die technische Seite ist nicht einmal die halbe Miete. Entscheidender war, was die Geschmacksjury, bestehend aus Vertretern der Industrie, Freunden, Bekannten sowie ganz normalen Trinkern, entschied. „Lernen was die Leute wollen, kann man nur zum Teil. Und letztlich ist es der Geschmack, der zählt,“weiß Volker Ströbel von der Deutschen Barkeeper–Union, die die Meisterschaft ausrichtete.

Was in welcher Kombination wie schmecke, sei kaum erlernbar, war man sich einig. Und wenn der Geschmack nicht stimme, nütze es auch nichts, Regenschirme und Orangenscheiben ans Glas zu stecken. „Technik ist 30 Prozent, der Rest ist Gefühl,“sagt Barkeeperin Welsch.

Davon hatte Thomas Bley vom Arabella Grand Hotel gestern wohl am meisten. Seine Kreation Real Power bestand vor allem aus süßem Kokoslikör und Marakujanektar. Die Kalorienbombe war der Jury 103 von 107 möglichen Punkten wert. Aber auch Barfrau Welsch war zufrieden. Platz 12 sei „ein toller Erfolg“: „Auch wenn ich so süßes Zeug selber nicht trinken würde.“ Lars Reppesgaard