Bankerinnen rechnen sich

■ Die Bank of Montreal fördert Frauen aggressiv per Managerbonus und hat Erfolg

taz: Als Sie Ihre Karriere in der Bank of Montreal begannen, haben Sie sich träumen lassen, einmal Vizepräsidentin zu werden?

Diane Ashton: Ja, ich habe mir schon eine höhere Position vorgestellt. Ich hatte bereits bei einer anderen Bank gearbeitet, dann ein Zusatzstudium absolviert, um danach erfolgreich konkurrieren zu können.

Wie haben Sie die Aufstiegshemmnisse in der Bank of Montreal zu spüren bekommen?

Wir Frauen wußten zum Beispiel überhaupt nicht, wann interessante Stellen frei waren. Die Führungskräfte waren meistens Männer und dachten bei möglichen Bewerbern fast nur an andere Männer. Das war kein bewußter Vorsatz, sondern Frauen waren für sie eben Sekretärinnen, Assistentinnen, aber nicht Kolleginnen oder gar Vorgesetzte.

Welche Gründe waren ausschlaggebend für die neue frauenfreundliche Linie Ihrer Bank?

1989 übernahm ein neues Management-Team die Führung. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten zwar zu 75 Prozent Frauen in der Bank, aber diese stellten nur 6 Prozent der Direktoren, Generalbevollmächtigten und Vorstände. Aus Produktivitätsgesichtspunkten war offensichtlich: Die meisten Frauen blieben hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Welche anderen geschäftlichen Beweggründe gab es?

Keine. Das neue Management fand heraus, daß es unter den Mitarbeitern jede Menge falscher Annahmen darüber gab, warum die Frauen nicht vorankamen: Es hieß, Frauen würden normalerweise wegen der Kinder den Betrieb verlassen, sie seien schlechter ausgebildet und würden weniger Leistung bringen. Der neue Präsident gab eine großangelegte Untersuchung in Auftrag. 16.000 Fragebögen wurden an die Beschäftigten verschickt.

Das Ergebnis stand 1991 fest: Die Frauen in unserer Bank blieben genausolang im Betrieb wie die Männer, sie waren sogar im Durchschnitt besser ausgebildet und hatten von der Leistung her höhere Erfolgsziffern. Wenn so hochqualifizierte Mitarbeiterinnen nicht ihr Leistungspotential ausschöpfen können, haben wir doch ein Problem mit der Produktivität. Die Bankenbranche steht in starkem Wettbewerb. Wir halten ständig Ausschau nach fähigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und wenn wir welche vor unseren Nasen sitzen haben und komplett übersehen, ist das nicht zu akzeptieren.

Welche Mittel waren am effektivsten, um den Frauenanteil so rasch zu steigern?

Erstens: Der Vorstand beschloß, die Gleichstellung der Frauen als geschäftliche Angelegenheit zu behandeln. Dies bedeutet: Das Leistungsprofil eines Vorgesetzten setzt sich nun nicht nur aus Umsatzahlen, Kundenzufriedenheit usw. zusammen, sondern auch daraus, wie die Frauen in seinem Unternehmensbereich vorankommen. Die Karrieren der Frauen in seinem Bereich beeinflussen damit auch seinen Bonus.

Der zweite entscheidende Faktor: In unserem elektronischen Komunikationssystem ist für jede Mitarbeiterin inzwischen ganz einfach einsehbar, welche Jobs gerade frei sind. Jede vakante Position muß dort eingegeben werden.

Und drittens: Wir haben flexible Arbeitszeiten offeriert. Viele Frauen und auch Männer haben zugegriffen. Früher sah es ja besonders gut und engagiert aus, wenn jemand mit Ehrgeiz bis weit nach 17 Uhr hinter seinem Schreibtisch sitzen blieb. Diese Unternehmenskultur haben wir völlig verändert.

Gehen Sie und andere Spitzenkräfte mit gutem Beispiel voran?

Ja, ich arbeite seit einigen Jahren flexibel, damit ich bei den Konzerten und Ausflügen meiner Töchter dabeisein kann. Sie sind jetzt 8 und 10 Jahre alt. Außerdem gewährt mir die Bank freie Tage, wenn meine Kinder krank sind. Andere Kollegen packen die Arbeit einer Woche in vier Arbeitstage, damit sie sich am fünften Tag fortbilden können.

Inwieweit schlägt sich Ihre Frauenförderpolitik wirtschaftlich nieder?

Wir ziehen viele Unternehmerinnen als Kundinnen an. Dies ist ein wachsender Markt, denn viele Betriebe werden derzeit vererbt und eben auch an Töchter vererbt. Wir üben aber auch Anziehungskraft aus auf hochqualifzierte Frauen, die sich von anderen Banken zu uns wegbewerben.

Was planen Sie zukünftig?

Wir schaffen die Barrieren ab für Ureinwohner und ethnische Minderheiten. Auch das zahlt sich aus. Denn wir haben in den letzten drei Jahren unsere Geschäfte mit den kanadischen Indianern um 250 Prozent ausgedehnt: auch ein wachsender Markt.

Wann werden Frauen die Hälfte der Leitungspositionen besetzen?

Wir werden das sehr aggressiv voranbringen. In den letzten sieben Jahren haben wir den Frauenanteil verdreifacht – von sechs auf 22 Prozent. In den nächsten sieben Jahren könnten wir den Anteil verdoppeln auf dann 44 Prozent. Interview: Barbara Debus