■ Bayern: Volksbegehren zur Abschaffung des Senats
: Das Dilemma der CSU

Die Lufthoheit über die Stammtische, das ist oft das Ziel der CSU. Nur so glaubt man, die absolute Mehrheit auf Dauer sichern zu können. Hier Euro-Skepsis oder hartes Durchgreifen der Polizei, da rigorose Abschiebungen oder Einschränkungen für Zuwanderer – das kostet in der Regel nicht viel, und der Beifall des Volkes ist einem sicher. Schwieriger wird es da schon in anderen Bereichen. Bei der Landwirtschaft läßt es sich gerade noch ganz gut auf Brüssel schimpfen, aber auch hier pfeifen die bayerischen Bauern bereits Stoiber und Waigel gnadenlos aus. In den bayerischen Kurorten aber regt sich bereits offener Widerstand gegen Seehofers Kürzungspolitik. Und beim Senat, einem in der Bundesrepublik einzigartigen Verfassungsorgan, das rund zehn Millionen kostet, aber wenig bis nichts bringt? „Schlanker Staat“ verkündet Ministerpräsident Edmund Stoiber landauf, landab – also abschaffen! Oder?

Gerade in dieser Frage befindet sich die CSU in einem Dilemma. Einerseits war und ist der Senat schon immer ein Rangierbahnhof für ausgediente CSU-Politiker und Honoratioren befreundeter Verbände, andererseits aber ist auch dem letzten Christsozialen klar, wie überflüssig dieses Gremium ist. Es darf nicht nur ausschließlich beraten, es berät auch noch in beschränkter Form. Zu vielen Gesetzen gibt man gleich überhaupt keine Stellungnahme ab, und die Lobbyarbeit der Verbände geht längst am Senat vorbei direkt in den Landtag und die Ministerien.

So versuchte die CSU sich durch ungewohnte Nichteinmischung aus diesem Dilemma herauszustehlen. Die Regierungspartei setzte darauf, daß den Senat ja sowieso niemand im Freistaat kennt, also auch niemand etwas mit dem leidigen Volksbegehren anzufangen wüßte. Fast wäre diese Strategie aufgegangen. Nun schmiedet die CSU an einem Gesetzentwurf zur Reform des Senats, um damit den Volksentscheid im Herbst den Wind aus den Segeln zu nehmen. Eine schwere Niederlage der CSU und ein Sieg der Opposition also? 10,5 Prozent der Wahlberechtigten sind auf jeden Fall zuwenig. SPD, Bündnisgrüne, FDP, ÖDP und alle anderen das Volksbegehren unterstützenden Gruppierungen müssen sich fragen lassen, warum es ihnen bei einem solch einfach strukturiertem Thema nicht gelungen ist, weitaus mehr Bürger zur Unterschrift zu bewegen.

Was bleibt, ist, daß mit dem Senat ein Stück bayerischer Originalität Gefahr läuft, beim Volksentscheid im Herbst zu verschwinden. Ein Stück aber, das gut zu verschmerzen ist. Bernd Siegler