FDP setzt sich gegen Waigel durch

■ In der Auseinandersetzung um die Haushalte 1997 und 1998 haben die Liberalen einen vorläufigen Sieg errungen – auch Waigel verzichtet auf Steuererhöhung. Gerhardt: Lieber weichen Euro als Verschiebung

Berlin (taz/dpa) – Mit kaum verhohlener Genugtuung hat der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt gestern den Kurs seiner Partei bekräftigt, bei der Haushaltssanierung auf Steuererhöhungen zu verzichten. Den Grund zu seiner Freude hatte ihm Bundesfinanzminister Theo Waigel gegeben, der am Sonntag erklärt hatte, Steuererhöhungen kämen nicht in Betracht, weil sie mit der FDP nicht machbar seien. Deshalb dürfe es bei Sparmaßnahmen „keine Tabus“ geben. Das Präsidium der Liberalen begrüßte gestern ausdrücklich die Äußerungen Waigels. Gerhardt erklärte, er sei zuversichtlich, daß die Koalition ihre Zusammenarbeit fortsetze. Dem Vernehmen nach soll es auch der erklärte Wille Kohls gewesen sein, auf Steuererhöhungen zur Finanzierung des Etats 1998 zu verzichten.

Bis Anfang Juli will die Koalition geklärt haben, wie die Deckungslücke von 30 Milliarden Mark für 1998 und von 20 Milliarden Mark für 1997 geschlossen werden soll. Es wird, nach Gerhardts Ansicht, „eine Kombination von Sparprogramm und Privatisierung“ sein. Bislang hatte die FDP eine höhere Nettoneuverschuldung nicht ausgeschlossen, nun erklärte der Vorsitzende, daß man mit dem Schuldenrahmen von 59 Milliarden Mark für 98 auskommen werde. Die Summe entspricht den im Haushalt eingestellten Investitionen. Waigel hatte es abgelehnt, eine „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ festzustellen, um eine höhere Verschuldung zu ermöglichen. Gerhardt wollte sich gestern nicht en detail zu den Spar- und Privatisierungsvorstellungen seiner Partei äußern. Er verwies lediglich auf die Veräußerung von Telekom-Aktien, deren Erlös von 25 Milliarden Mark zwischen den beiden Haushaltsjahren über ein Platzhaltermodell austariert werden könne.

Konziliant zeigte sich die FDP beim Thema Einkommenssteuerreform. Die nun in der Koalition vereinbarte Streckung der Besteuerung der Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit findet auch Gerhardt „wirklich akzeptabel“. Der FDP-Chef forderte die SPD auf, „sich im Vermittlungsverfahren klar zu äußern“.

Die klare Äußerung kam prompt vom SPD-Vorsitzenden. Oskar Lafontaine bekräftigte gestern seine Ablehnung. Die SPD werde hart bleiben.

Hingegen wird die FDP weich bei der Interpretation der Euro- Kriterien. Gerhardt sagte, wenn Deutschland bei 3,1 Prozent lande und im kommenden Jahr 2,9 erreiche, „steht einem Eintritt nichts im Wege“. Ein Nichteintritt werde jedoch Probleme für Deutschland bringen. dr