Abschied aus der Demokratie

■ Rechts ist normal für immer mehr Jugendliche der Ex-DDR. Das neue "Zentrum Demokratische Kultur" will dieser rechtsextremen Alltagskultur entgegentreten

Für ihn als „Wessi“ waren die Begriffe und Bilder erst einmal „exotisch“: Was, bitte schön, hat man sich dieser Tage unter einer „National Befreiten Zone“ vorzustellen? Die Antwort fand Christian Petry, Geschäftsführer der „Freudenberg Stiftung“, erschreckend: „National Befreite Zonen“ sind Programm und Praxis einer neuen Generation von Rechtsextremen in der ehemaligen DDR, in der „normal“ ist, wer rechtsradikal und völkisch denkt; in der das Gefühl rassischer Überlegenheit nicht mehr politisch gepredigt werden muß, sondern durch Musik, Computerspiele, Internet, Fanzines oder Kleidung in die Alltagskultur eingeflossen ist. Was vor allem in der westdeutschen Öffentlichkeit weitgehend ignoriert wird, haben Experten rund um das „Berlin Brandenburger Bildungswerk“, die Brandenburger Ausländerbeauftragte Almuth Berger sowie die „Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule“ seit langem – und mit wachsendem Entsetzen – registriert. Ihre Analysen und Beobachtungen sind nun mit finanzieller Unterstützung der westdeutschen „Freudenberg Stiftung“ im „Zentrum Demokratische Kultur“ in Mitte zusammengefaßt: über Jugendklubs, in denen rechte Jugendliche oft mit Gewalt ihre Musik und ihre Themen durchsetzen; über Schulen, in denen Lehrer dem „ganz normalen“ Rechtsradikalismus ihrer Schüler oft nichts entgegensetzen können oder wollen.

Bernd Wagner, Leiter des Zentrums und schon zu DDR-Zeiten als Kriminologe mit dem Thema befaßt, bezeichnet dieses Phänomen als die „kulturell subversive Schiene des Rechtsextremismus, über die sich große Teile der jüngeren Generation aus dem demokratischen Wertesystem verabschieden“. Hätten sich rechtsradikale Aktivitäten bis Anfang der 90er Jahre hauptsächlich im Rahmen von Parteien und Organisationen abgespielt, so könne man rechtsradikale Jugendliche heute immer seltener organisierten Gruppen zuordnen. „Das ist Bestandteil der Alltagskultur“, erklärt Wagner, „und die Werte kommen nicht mehr vom Rand, sondern aus der Mitte der Gesellschaft.“

Dieser Entwicklung will das Zentrum Aufklärung und Beratung entgegensetzen. Für Lehrer, Polizisten, Klubleiter oder Journalisten werden Workshops angeboten. Ein regelmäßiges Bulletin sowie eine Homepage sollen die Öffentlichkeit zusätzlich informieren. Dabei liegt es Wagner fern, Rechtsextremismus zu einem vornehmlich ostdeutschen Problem zu erklären. Allerdings gebe es zwei Unterschiede zu den alten Bundesländern: „Das ist die Tabulosigkeit“ – und die Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Andrea Böhm

Zentrum Demokratische Kultur, Schumannstraße 5, 10117 Berlin. Telefon: 282 96 27 oder 28 39 45 32. E-Mail: RAA-Berlin6t-online.de