Keine heiße Spur von den Lübecker Attentätern

■ Einen Tag nach dem Brandanschlag auf die St.-Vicelin-Kirche verdoppelt die Polizei die Sonderkommission. Bischof Kohlwage fordert Verbot von rechtsradikalen Parteien

Berlin/Lübeck (taz) – Noch keine Hinweise auf die Täter – so der Stand der Ermittlungen einen Tag nach dem vermutlich rechtsradikalen Brandanschlag auf die St.-Vicelin-Kirche in Lübeck. Die Staatsanwaltschaft rechnet nicht mit einer schnellen Aufklärung des Falls. Die Untersuchungen am Tatort würden noch einige Tage in Anspruch nehmen, hieß es gestern in Lübeck. Man hofft jetzt auf Hinweise aus der Bevölkerung.

Die Sonderkommission der Polizei wurde auf 40 Beamte verdoppelt, sie überprüft besonders die rechte Szene. Bei dem Brandanschlag in der Nacht von Samstag auf Sonntag hatte die Feuerwehr Hakenkreuzschmierereien am Tatort vorgefunden. Der evangelische Bischof von Lübeck, Karl Ludwig Kohlwage, verurteilte den Anschlag als einen Angriff auf die demokratische Kultur. Er sprach von einer neuen Eskalation der Gewalt. Kohlwage forderte, ebenso wie Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller (SPD), ein Verbot aller rechtsradikalen Parteien.

Dafür sieht Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) derzeit keine Möglichkeit. Er befürchtet, daß sich die Gewalt aus der rechtsextremen Ecke in den nächsten Jahren noch steigern könnte. Bedenklich sei, daß man es „inzwischen mit hochintelligenten Tätern“ zu tun habe und Anschläge dadurch eine „gefährlichere Qualität“ bekämen.

Der evangelische Pastor Günter Harig – sein Name prangte zwischen den Hakenkreuzen auf der Mauer der ausgebrannten Kirche – will sich in seinem Engagement für Flüchtlinge nicht beirren lassen. „Mit dem Kirchenasyl machen wir weiter wie bisher“, so der Pfarrer zur taz. Die algerische Familie, die seit etwa zwei Wochen in der evangelischen Gemeinde St. Marien im Kirchenasyl lebt, stehe seit gestern unter besonderem Schutz.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ forderte die politisch Verantwortlichen auf, ein Zeichen zu setzen und die Abschiebung der algerischen Familie aufzuheben und ihr einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Das Ehepaar mit seinen vier Kindern wurde in Algerien politisch verfolgt.

Annette Kanis Siehe auch Seite 4