Kurt Scheels Lichtspiele
: Liebe auf den ersten Schluck

■ Sex, Alkohol und Geschlechterkampf – Vorgeschichte der Gender studies

Wenn ich mich damals, Mitte der fünfziger Jahre, hätte entscheiden müssen, wäre meine Wahl auf Lassie gefallen. Ich hatte nichts gegen Elizabeth Taylor, im Gegenteil: Sie war sehr viel hübscher als Karin Fahje, keine Frage. Aber Lassie – Lassie war nicht nur schön, Lassie war auch so gut, so klug, so treu, da konnte die Taylor nicht mithalten. Keine Frau kann einem Mann den Hund ersetzen.

Das nächste Mal sah ich sie in „Vater der Braut“, einer netten Komödie, niveauvolle Unterhaltung, also eigentlich nichts für mich. Aber die Taylor war lecker anzusehen. Ich war nun auch schon zehn, und mein Verhältnis zu Frauen hatte sich den Lassie-Zeiten gegenüber fundamental gewandelt. Ich war zwar noch kein Feminist im engeren Sinne, aber wenn fürs Cowboyspielen nicht genügend Jungs da waren, hatte ich überhaupt nichts dagegen, daß Mädchen mitmachten. Sind doch auch Menschen, war schon damals meine Devise.

Der Durchbruch kam dann in „Ivanhoe“: Die Taylor als Rebecca, die schöne Jüdin, war eine der ersten großen Lieben meines Lebens. Aber in Gestalt von Robert Taylor alias Ivanhoe mußte ich natürlich die bläßliche Christin Joan Fontaine heiraten – das war zwar bitter, doch in diesen unaufgeklärten, mittelalterlichen Zeiten kaum zu ändern.

Danach haben wir uns dann etwas aus den Augen verloren. Ich sah sie zwar noch in „Beau Brummell“, „Giganten“, „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, aber, ehrlich gesagt,

stand ich mehr auf Stewart Granger, Rock Hudson und Paul Newman als auf „Liz“, wie ich sie nun nannte. Wir waren gute alte Freunde, aber erotisch lief gar nichts. Sie war mir auch zu lätschig, zu phlegmatisch, zu zickig geworden. Der Erfolg war ihr zu Kopf gestiegen, immer etwas schlecht gelaunt und schmollend ließ sie die Kerle um sich herumtanzen, ein richtiger „prick-teaser“; sehr frauchenhaft, wenn Sie verstehen, was ich meine. Nicht emanzipiert, selbstbewußt, so wie ich mir die Frauen wünschte, auch mal die Initiative übernehmend...

In „Butterfield8“ spielte sie dann eine Art Callgirl, das war sexmäßig ein Schritt in die richtige Richtung; aber andererseits war damit eine Ehe natürlich definitiv ausgeschlossen – meine Mutter hätte das niemals akzeptiert. (Daß man „leichte Mädchen“, so hieß das damals, unter bestimmten Bedingungen doch heiraten durfte, erfuhr ich erst aus der „Welt der Suzie Wong“; aber Nancy Kwan – dieses geschlitzte Kleid! – war Chinesin, und die Asiaten haben ja ganz andere Vorstellungen über Moral und kulturelle Werte als wir; außerdem ging Suzie dem „ältesten Gewerbe der Welt“ – hihi – nur nach, weil sie ihre kranke Großmutter oder irgend etwas dieser Art vorm Hungertod retten wollte.)

Richtig gefallen hat mir Liz Taylor dann nur noch in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, 1966. Sie spielt die fette, geile, versoffene Schlampe in Edward Albees Stück sehr überzeugend; beziehungsweise spielt diese Rolle eben nicht, denn das war sie mittlerweile ja geworden. Ihr Partner und Ko-Alkoholiker im Film wie im Leben war Richard Burton. Er gehört zu der Kategorie von Suffköppen, die im Gesicht nicht aufdunsen, sondern, im Unterschied zu ihrer Leber, immer schärfere Züge bekommen: beneidenswert, und als Ehemann-Versager (eine Tautologie), der sich in diesem Film neunzig Minuten lang „Schlappschwanz“ und „Null“ nennen läßt, rächt er unser Geschlecht zum Schluß dann doch ganz schön und verhilft der Taylor zu einem Weinkrampf und damit auch verdientermaßen zu ihrem zweiten Oscar. Denn nichts liebt Hollywood mehr, als wenn seine Stars Alkoholiker spielen, die in einem finalen Zusammenbruch Reue und Neuanfang signalisieren.

Kennengelernt hatten sich die beiden bei den Dreharbeiten zu „Cleopatra“, und es war offenbar Liebe auf den ersten Schluck. Sie kamen jedenfalls manchmal tagelang nicht aus ihrem Lotterlager heraus, es konnte nicht gedreht werden, die Kosten explodierten – und es hat trotzdem nichts genützt: Der Film ist abscheulich. Es war immerhin ein so großartiger Skandal, daß Laurence Olivier sich genötigt sah, seinem Freund Burton zu kabeln (!): „Mein Lieber, Du mußt Dich jetzt entscheiden: Willst Du ein großer Schauspieler werden oder eine Skandalnudel?“ Und im Unterschied zu mir, der ich Lassie gewählt hätte, lautete Burtons brillante Antwort: „Beides.“ Kurt Scheel