Katastrophe im Kalkül

■ Feuer im Kanaltunnel vom November war offenkundig Brandstiftung

Dublin (taz) – Das Feuer, das im vorigen November im Tunnel unter dem Ärmelkanal umgerechnet eine halbe Milliarde Mark Schaden angerichtet hat, ist durch Brandstiftung entstanden. Zu diesem Ergebnis ist vorgestern eine Untersuchungskommission in Frankreich gekommen. Der detaillierte Bericht wird allerdings erst in der kommenden Woche veröffentlicht.

Das Feuer war in einem Shuttle- Zug für Autos und Lastwagen kurz nach der Abfahrt in Frankreich ausgebrochen. Als man den Rauch bemerkte, war es jedoch zu spät, den Zug vor der Einfahrt in den Tunnel zu stoppen. Die französischen Richter haben Defekte in der elektrischen Anlage des Shuttle-Zuges als Brandursache ausgeschlossen. Nach der Vernehmung aller Zeugen kamen sie zu dem Schluß, daß es vorsätzliche Brandstiftung war.

Wer dahinter steckt, geht aus dem Bericht nicht hervor. Der frühere Tory-Abgeordnete für den Wahlkreis Dover, David Shaw, behauptete damals, er habe erfahren, daß französische Lastkraftwagenfahrer für den Brand verantwortlich seien. Die Fernfahrer waren zu der Zeit in einen Arbeitskampf verwickelt, bei dem es zur Blockade von Autobahnen und Häfen kam. Aber auch Eurotunnel, die Betreiberfirma des Kanaltunnels, lag damals im Streit mit ihren eigenen Zugbesatzungen, die in einen inoffiziellen Bummelstreik getreten waren.

Mit dem französischen Untersuchungsergebnis ist die Sache für Eurotunnel längst nicht ausgestanden. In einem britischen Untersuchungsbericht, der am Dienstag herauskam, werden die Sicherheitsvorkehrungen scharf kritisiert. Der Brand im November hätte fast zur Katastrophe geführt, weil die Vorschriften bei einem Notfall viel zu kompliziert und die Angestellten viel zu schlecht ausgebildet seien, heißt es im Bericht der Sicherheitsbehörde. Die Autoren empfehlen 36 Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit. Bis dahin bleibt der Tunnel für die Frachtzüge weiterhin gesperrt. Ralf Sotscheck