Vera, an der Basis angekommen

Die frühere Bündnisgrüne und heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld trifft in Berlin auf ihre neuen Parteifreunde. Gemeinsam loben sie Helmut Kohl und warnen vor der neuen Linksfront  ■ Aus Berlin Jens Rübsam

Immer wenn es um Kommunisten geht, ist Fritze Mach zur Stelle. Das ist ein gefährliches Pack. Mit denen darf man keine Kompromisse machen. Das hat er auch dem Helmut geschrieben und ihm „klipp und klar“ mitgeteilt, daß er jetzt nicht mehr bereit ist, rüber zu fahren. Denn die da drüben, die im Osten, speiht Fritze Mach, wählen doch noch immer die Kommunisten von der PDS.

Vera Lengsfeld (45) sitzt vor vier belegten Brötchen, zwei Käse, zwei Wurst, einer Büchse Limonade, einer kleinen Flasche Wasser und in der Mitte des Podiums. Sie ist der „Haupt- und Ehrengast“ eines Berliner CDU-Kreisverbandes, der zur Anhörung „Die Bundestagswahl 1998 bestimmt die Richtung“ geladen hat. Geduldig hört sie Fritze Mach, der 92jährigen Volksstimme des Steglitzer Kreisverbandes, zu. Schiebt ein Lächeln in den holzgetäfelten Raum der Seniorenfreizeitstätte. Es wirkt krampfig.

Nein, sie will nicht mehr über Privates sprechen. Nicht reden über Knud, ihren Exmann, der IM „Donald“ war. Nicht erzählen vom Bürgerrechtlerdasein. Nicht darüber nachdenken, daß sie einmal geglaubt hat, die DDR sei reformierbar und daß sie dachte, ein dritter Weg, irgendwo zwischen Realsozialismus und Marktwirtschaft, sei gehbar. Sie will die CDU-Bundestagsabgeordnete Lengsfeld sein und nicht mehr die Bündnisgrüne Wollenberger verteidigen. Sie will ankommen. Endlich und im Heute. Und sie will Sachpolitik machen. In der „einzigen Partei, die heute zu Reformen fähig ist“. Nämlich in der CDU. Seit Ende vergangenen Jahres ist sie deren Mitglied.

Vera Lengsfeld will abrechnen mit der PDS, vor allem. Auch mit der SPD, dieser „Reformstaupartei“. Und auch, ein klein wenig, ihre neuen Parteikollegen aus dem Osten ärgern. Für alles war die heimelige Seniorenfreizeitstätte im betuchten Steglitz am Montag abend die richtige Adresse.

Ein CDUler spricht von drüben, wenn er den Osten meint. Spricht von der Ost-CDU, wenn er über seine Kollegen in Brandenburg redet. Erst auf Zwischenruf entschuldigt er sich: „Klar, wir sind eine Partei.“ Zu dem Thema hat Vera Lengsfeld, die Thüringerin, ihre eigene Meinung. Die CDU in den neuen Bundesländern agiere einfach zu defensiv. Sie verstehe es nicht, die „beachtlichen Erfolge der Kohl-Regierung“ zu verkaufen. Was wohl daran liegen mag, daß noch immer zu viele Parteikollegen nicht ihre Herkunft aus der Blockpartei überwunden hätten.

„Ja“, hebt Vera Lengsfeld an, „die beachtlichen Erfolge der Kohl-Regierung werden schlecht verkauft.“ Das moderne Telefonnetz. Die Infrastruktur. Die neue Bahnstrecke Halle–Kassel beispielsweise. Und auch die Dörfer. „Schauen Sie sich doch mal um, was sich da alles getan hat.“ Ihre Stimme hüpft. Ihr Lächeln wirkt demonstrativ und aufgesetzt. Dann meldet sich die Volksstimme wieder zu Wort.

„Anmaßend sind sie geworden, die da drüben.“ Fritze Mach ist aufgestanden, haut die Faust auf den Tisch und brüllt in den Raum: „Wir mästen unsere Totfeinde, und dann machen sie uns fertig.“ Wählen die Kommunisten. Die PDS. „Um das zu verhindern, sind wir da“, sagt Vera Lengsfeld. Es klingt wie aus dem Mund von Hintze. Aber nicht der CDU-Generalsekretär sitzt in der Seniorenfreizeitstätte, sondern die Bundestagsabgeordnete Lengsfeld, der die Bonner CDU nach ihrem Übertritt einen Platz im Umweltausschuß und einen im Untersuchungsausschuß „Aufbau Ost“ freigeräumt hat. Sie will den Wahlkampf 1998 einläuten, „den vielleicht wichtigsten Wahlkampf, weil es so scheint, als ob die Linke ihre langjährige Sprachlosigkeit wiedergefunden hat“. Die Erfurter Erklärung sei so ein Anzeichen dafür. Dieses Pamphlet sei „Klassenkampfrhetorik“, voll mit Begriffen, „die ich aus dem Sozialismus kenne“, es rufe auf zu einer linken Allianz unter Einschluß der PDS, die wirtschaftliche Misere im Osten werde der Bundesrepublik in die Schuhe geschoben und die staatliche Regulierung als Ausweg aus den Schwierigkeiten gepriesen. „Staatliche Regulierung führt zum Desaster, das haben wir doch gesehen“, gibt Lengsfeld zu Protokoll. Weil sie das weiß, aber es die Ostler nicht wissen, sagt sie noch: „Die Leute müssen den Lernprozeß durchlaufen, daß Freiheit mit Unsicherheit zu tun hat.“ Basta. Und die Leute müssen wissen, malt Lengsfeld ein schwarzweißes Bild, was sie haben wollen: das CDU- Gesellschaftsmodell (freie Marktwirtschaft und Demokratie) oder das linke, PDStolerierte mit Affinitäten zum Realsozialimus.

Was für eine Vorstellung! Die Kommunisten an der Macht! Fritze Mach zuckt zusammen. Blickt vor zu Vera Lengsfeld. Die schüttelt den Kopf und lächelt beruhigend zurück.