„Da läßt sich gut mauscheln“

■ Der EuGH und sein Urteil zur Geschlechterdiskriminierung: Zu den Folgen Reinhard Ens, Vizepräsident des Stuttgarter Arbeitsgerichts

taz: Eine Diskriminierung bei der Einstellung kann für Arbeitgeber künftig teuer werden. Wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofes [EuGH; siehe auch Kasten – die Red.] spürbare Folgen haben?

Reinhard Ens: Ich glaube, daß weniger die Höhe des drohenden Schadensersatzes für Abschreckung sorgt. Wichtig ist vielmehr die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich verklagt zu werden.

Warum gibt es bisher aber sowenig Klagen?

Vielleicht ist die Vorschrift bisher zu wenig bekannt gewesen. Insofern haben das EuGH-Urteil und die Berichterstattung darüber einen positiven Nebeneffekt.

Wie beweist man/frau denn, daß bei der Einstellung diskriminiert wurde?

Am einfachsten ist es, wenn schon in der Stellenanzeige nur ein Mann oder nur eine Frau gesucht wurde. Hier ist dann davon auszugehen, daß eine Person des anderen Geschlechts gar keine Chancen hatte.

Wer sich die Stellenanzeigen etwa bei Regionalzeitungen durchschaut, stellt fest, daß etwa die Hälfte der Anzeigen immer noch geschlechtsspezifisch ist. Da haben Klagen gute Chancen.

So ist es. Ich verstehe auch nicht, warum sowenig von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird.

Vielleicht wegen der Kosten?

Das Kostenrisiko ist eigentlich relativ gering. Geht die Klage verloren, fallen nur Gerichtskosten in Höhe von rund 400 Mark an – je nach entgangenem Verdienst. Die Anwaltskosten trägt vor dem Arbeitsgericht jede Seite selbst.

Wie kann ich eine Diskriminierung beweisen, wenn sich die Anzeige (wie es seit 1994 ohnehin Pflicht ist) an beide Geschlechter richtet?

Das ist dann schwieriger. Manchmal erklärt der Arbeitgeber ja im Bewerbungsgespräch oder bei der Absage ganz offen, daß er eigentlich nur einen Mann oder nur eine Frau einstellen wollte. Darauf kann man dann die Klage stützen.

Und wenn der Arbeitgeber dies später leugnet?

Dann brauchen Sie Zeugen. Die Beweislast für die Äußerung trägt jedenfalls der Kläger.

Gerade bei Führungspositionen, wo Frauen noch besonders unterrepräsentiert sind, dürfte eine Diskriminierung besonders schwierig zu beweisen sein.

Ja, dort sind die Auswahlkriterien so komplex, daß sich gut mauscheln läßt.

Gibt es auch Stellen, für die nur eine Frau oder ein Mann eingestellt werden darf?

Bei einem Mannequin oder einem Dressmann geht das natürlich. Wohl auch bei einer Verkäuferin für Damenoberbekleidung.

Und bei Bauberufen?

Dort muß geschlechtsneutral ausgeschrieben werden. Die klassische Unterscheidung von Männer- und Frauenberufen ist vorbei.

Gilt das Diskriminierungsverbot nur bei der Einstellung?

Nein, auch für die Beförderung und Entlassung. Das Geschlecht darf für das berufliche Fortkommen keine Rolle spielen.

Im Fall, den der EuGH behandelt hat, war ein Mann der Kläger. Ist das typisch?

Bei den allerersten Klagen hatten wohl noch Frauen das Übergewicht. Heute aber ist es nicht untypisch, daß Männer sich das Gesetz zunutze machen. Interview: Christian Rath