„Klein anfangen war nichts für mich“

■ Der Konzertveranstalter Charlie Born feiert 20jähriges Dienstjubiläum / Durchstarten mit den Scorpions

Wenn man Charlie Born erzählten hört, wie er seinerzeit Novalis an die Weser holte, fragt man sich, warum nicht alle Menschen Konzerte mit ihren Lieblingsbands veranstalten: „Auf's Plattencover geguckt, Telefonnummer aufgeschrieben, angerufen, fertig.“So einfach war das 1977.

Zwanzig Jahre später gab es zwar keine Langspielplatten mehr, geschweige denn Managementagenturen, die ihre Telefonnummern auf Plattencovern abdruckten. Dafür hat die Konzertagentur Born & Born, die Charlie zusammen mit seiner Frau ins Leben rief, fünf MitarbeiterInnen, die unter anderem dabei helfen, Telefonnummern herauszufinden. Born & Born gehören inzwischen zu den erfolgreichsten kommerziellen Kulturorganisationen der Stadt – und dem Chef sind die Schritte dahin offenbar nicht sonderlich schwer gefallen.

Born gilt in der Szene als Senkrechtstarter, auf dessen Spürnäschen von Anfang an Verlaß war. „Klein anfangen war nichts für mich“, erinnert sich der Rockmusikfan mit dem Buchhalterinstinkt an den Start von 20 Jahren. Den Kleister für die Novalisplakate rührte er mit seinem Kumpel zwar noch selber an, und ein paar kalte Nächte schlugen sich die beiden klebenderweise um die Ohren, um Bremen „platt zu machen“, wie er sagt. Und: „Damals hat ein Plakat ja noch richtig Aufmerksamkeit erregt.“

Weil aber Novalis – wie bei großen Bands üblich – eine eigene Verstärkeranlage mitbringen sollte, und ein Ottersberger Gastwirt mit Blick auf den erwarteten Umsatz dem „Schweinerock“sein Placet gab, blieb für Born kaum mehr zu tun, als das Risiko zu übernehmen. Und das hielt der Buchhalter in Born für durchaus vertretbar.

„Diese Art der deutschen Rockmusik veranstaltete damals keiner“, erzählt Born. Daß Bedarf für solche Konzerte aber bestand, war dem findigen Musiknarr beim Jobben im Plattenladen nicht entgangen. „Das war mir schon klar, daß das läuft.“

Und es lief. Mehr als 600 Krautrockfans füllten den Ottersberger Hof bei Bremen bis unters Dach. Daß sich hinter dieser Örtlichkeit eine Gaststätte mit eher dörflichem Charakter verbarg, störte keinen. Im Gegenteil, selbst Novalis waren begeistert, wie Schlagzeuger Hartwig Biereickel heute sagt. „Charlie hatte das sehr professionell vorbereitet. Und er hatte einen Bezug zur Musik. Da war schnell ein persönlicher Draht da.“

Als nächstes schaute Charlie bei Eloy auf das Plattencover, und auch das zweite Ottersberger Konzert war ausverkauft. Fortan wurde nicht mehr selbst gekleistert, sondern geklotzt. Borns Bremen-Debüt fand ganz unbescheiden Ende März 1977 in der Stadthalle statt. Mit dabei: Einmal mehr Novalis und Eloy sowie als Headliner die damalige Nummer 1 in Sachen Heavy Metal aus deutschen Landen – die Scorpions. „Es gab zwei große Bühnen für die drei Bands, deswegen weiß ich das noch. So wurden die Umbaupausen kurz gehalten“, erinnert sich der Scorpions-Drummer Uli Roth. Daß Born damals neu im Geschäft war, bemerkten die Hannoveraner Rock-Stars gar nicht. Roth: „Man konnte bei vielen Konzerten nie so richtig sagen, wer dahinter steckte. Erst wenn etwas schief ging, hast du dich gefragt, was das für ein Vogel war. Doch in Bremen war alles spitzenmäßig organisiert.“Alles? Fast alles: Denn der Sänger Klaus Meine verbrannte sich die Matte, weil das Pyrogemisch im Show-Zylinder frühzeitig zündete. Doch das ging nicht auf Charlies Kappe. Den Pyrotechniker hatten die Scorpions selbst mitgebracht.

Mindestens einmal im Monat lud Charlie nun Bands ein. Am liebsten solche, die selbst ihre Anlagen mitbrachten und auch aufbauten. Seine erste und einzige Schlagzeugkiste mußte Born erst schleppen, als er schon längst schleppen ließ. Weil die Roadies sich verspäteten, waren der Busfahrer und Born als Novalis-Tourplaner 1978 in Siegen gefordert. „Mann, Mann, Mann, als wir die Anlage zu zweit aufgebaut hatten, kamen die endlich“, schimpft Born noch heute.

Erst im September 1977 war ein Born-Konzert erstmals nicht ausverkauft. „Golden Earring lief nicht so doll“, sagt Born. Dafür entschädigten schnell Kassenknüller wie Manfred Mann oder Patti Smith. In wenigen Monaten war aus dem Musikfan ein mittelständischer Unternehmer geworden, der heute noch bei seiner Freundschaft mit MusikerInnen wie Herbert Grönemeyer Privates und Geschäftliches auf angenehme Weise verbinden kann. Zwar zieht der geliebte, handgemachte Rock heute kaum noch. Doch Born & Born erkannten die Zeichen der Zeit und setzen heute auf Vielfalt: Von der Tattoo-Show bis zum Sesamstraßen-Musical gibt es nichts, was man nicht organisieren kann. „Außer Jazz. Da kannst du fast immer sicher sein, daß du in Bremen Miese machst“, warnt Born. „Und Techno. Die Einschätzung, ob etwas laufen könnte, treffe ich ja aus dem Bauch heraus. Und bei Techno spüre ich nur ein komisches, baßlastiges Grummeln im Magen. Da laß ich die Finger von.“

Lars Reppesgaard