In den Ruin gewirtschaftet

Die Angestellten der Textilkette Dyckhoff bangen um ihre Arbeitsplätze  ■ Von Vanessa Ogle

Nervosität und Angst waren zu spüren auf der gestrigen Betriebsversammlung der Dyckhoff-Angestellten. Denn wie es weitergeht mit den fünf Hamburger Filialen der Textilkette, weiß von den etwa 150 im Saal des DGB-Gewerkschaftshauses zusammengekommenen MitarbeiterInnen niemand. Eines ist allen klar, um ihre Arbeitsplätze steht es nicht gut. Mißmanagement des englischen Besitzers Harold P. Tillman, darin sind sich die Beschäftigten einig, habe das Unternehmen in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.

Am vergangenen Freitag hatte Dyckhoff Vergleich beantragt. „Das bedeutet, wir bemühen uns, das Unternehmen auch in Zukunft zu erhalten“, versuchte die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Silke Strietzel die Belegschaft zu beschwichtigen. Im Vergleichs-Falle würden die Gläubiger auf einen Teil der ausstehenden Zahlungen verzichten und damit die Schulden des Unternehmens verringern.

Aber auch das berichtet Silke Strietzel den Anwesenden: Die Mehrheit aller Vergleichsverfahren hat ein Konkursanschlußverfahren zur Folge – das Ende eines Unternehmens. Durch Gutachter wird hier geprüft, ob das Firmen-Eigentum, die Konkursmasse, vom Wert her die Verfahrenskosten deckt – in diesem Fall bekommen alle Gläubiger gleiche Anteile aus der verbliebenen Konkursmasse. Sind die Kosten nicht gedeckt, wird der Konkursantrag mangels Masse abgelehnt, der finanzielle Verlust einer solchen Pleite geht noch stärker zu Lasten der Gläubiger.

Vergleich oder Konkurs muß beantragt werden, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen. Und das bekommen auch die MitarbeiterInnen von Dyckhoff zu spüren: Im Februar wurden bereits keine Gehälter mehr gezahlt. Ohne Lohn weiterzuarbeiten, sei langfristig nicht möglich, sagt Silke Strietzel. Ansprüche auf Konkursausfallgeld – drei Monate Gehaltszahlungen in voller Höhe vom Arbeitsamt – bestehen im Moment noch nicht.

Um an Geld zu kommen, schlägt die Betriebsratsvorsitzende der Belegschaft deshalb folgendes vor: Der Anspruch auf Konkursausfallgeld wird abgetreten, was den Banken als Sicherheit für eine Vorfinanzierung der Gehälter dient. So bekämen die Angestellten ihr Geld, und das Arbeitsamt würde den Banken die Zahlungen zurückerstatten. „Wir nehmen uns, was wir kriegen können“, so Strietzel, „uns entstünde so wenigstens kein Verlust, nur die Geldquelle ändert sich.“Darüber will die Betriebsversammlung morgen endgültig beraten.

Der Fall des Textilhauses Dyckhoff verdeutlicht einen allgemeinen Trend: 702 Insolvenzen, also eröffnete und mangels Masse abgelehnte Konkursverfahren, registrierte das Statistische Landesamt im vergangenen Jahr in Hamburg, 1995 waren es noch 641.

Die Dyckhoff-Angestellten haben die Hoffnung trotzdem noch nicht verloren: „Wir müssen auf jeden Fall weiterarbeiten, damit Geld reinkommt“, brachte eine Mitarbeiterin gestern die allgemeine Stimmung auf den Punkt.