„Dieser Staat macht, was er will“

Der Castor erreicht über Quickborn das Zwischenlager Gorleben  ■  Aus dem Wendland Marco Carini

Um kurz nach drei am Nachmittag ist alles vorbei. Der Castor-Transport erreicht das Zwischenlager in Gorleben. Keine Blockade hält ihn auf, keine Straße bricht unter seiner Last zusammen. Erst gegen ein Uhr mittags hat der Transport sich auf den Weg gemacht. Nur 45 Minuten später rauscht der Six-Pack im Eiltempo durch das sieben Kilometer entfernte Quickborn. Die Strecke ist frei. Seit Montag haben Polizei und Grenzschutzeinheiten die sogenannte Nordroute, die mitten durch die Ortschaft Quickborn führt, hermetisch abgeriegelt. Ein grünes Uniformspalier säumt die Fahrbahnränder. Selbst Einheimische dürfen ihre Häuser nur verlassen, wenn sie den Beamten ihre Ausweise präsentieren. Bis ins nahegelegene Dannenberg kommen sie am Tag X nicht durch.

Auch für die AKW-GegnerInnen aus den Camps in Quickborn und Gußborn ist die Strecke tabu. Sie dürfen Quickborn nicht einmal betreten, um sich Zigaretten zu besorgen. Lediglich in der Nacht zum Mittwoch versuchen gut 50 Unerschrockene aus dem Camp in Gußborn, den Polizeiriegel zu durchbrechen. Es kommt zu massiven Auseinandersetzungen. Die Polizei spricht von sieben durch Stahlkugeln verletzte Beamte, die Castor-GegnerInnen beklagen rund ein Dutzend zum Teil schwer verletzte MitstreiterInnen, die von den „Ordnungshütern“zusammengeprügelt und -getreten wurden.

„Völlig machtlos“fühlt sich ein Landwirt aus Quickborn, der von seinem Garten aus beobachtet, wie die atombeladenen Schwertransporter über die dörfliche Hauptstraße den kleinen Ort durchqueren: „Der ganze Widerstand bringt doch nichts.“Viele QuickbornerInnen sind vor allem froh, daß sich „die Situation jetzt hoffentlich entspannt“.

Drei Tage Ausnahmezustand haben ein normales Leben unmöglich werden lassen. Viele Erwachsene konnten nicht zur Arbeit, die Kinder blieben der Schule fern. „Dieser Staat macht, was er will“, klagt ein 40jähriger Handwerker. Und selbst die DorfbewohnerInnen, die sich darüber erregen, daß die AtomgegnerInnen „unsere Straßen kaputt machen wollten“, hoffen, „daß dies der letzte Transport war“.

Im „Hamburger Camp“am Rand von Quickborn herrscht auch nachdem die Castoren den Ort störungsfrei passiert haben, keine Niedergeschlagenheit – nur Müdigkeit. Viele ProtestlerInnen haben seit Tagen kaum ein Auge zubekommen. Um zwei Uhr mittags verkündet ein Lautsprecher des Info-Busses, daß der Castor in Grippel noch einmal von einer Sitzblockade aufgehalten wurde. Die CampiererInnen applaudieren. Eiligst wird ein Autokonvoi zum Zwischenlager zusammengestellt, um sich an den Aktionen noch zu beteiligen. Eine Stunde später erreichen die sechs Castor-Behälter das Zwischenlager in Gorleben. Drei Stunden dauerte seine Fahrt am Tag X hoch drei, teilt die Polizeidirektion Lüneburg ungerührt mit.