■ Bonn wußte offenbar von RAF-Aussteigern in der DDR
: Und wenn, wäre es schlimm?

Unterstellen wir einmal, die Bundesregierung hätte schon Mitte der achtziger Jahre gewußt, daß wenige Zeit zuvor zehn Mitglieder der RAF in die DDR abgetaucht waren. Wäre das wirklich so schlimm gewesen? Man muß sich nur einmal die damalige Zeit vor Augen führen. Seit Jahren jagte der hochgerüstete Fahndungsapparat ein paar RAFler – deren Attentate konnte er nicht verhindern. Anfang Februar 1985 fällt der MTU-Chef Zimmermann einem Attentat der Guerilla zum Opfer. Im August des selben Jahres zündet die RAF auf der US-Airbase in Frankfurt/Main eine Bombe, bei der zwei Soldaten sterben und 23 Menschen verletzt werden. Elf Monate später tötet ein Kommando der RAF den Siemens-Vorständler Karl-Heinz Beckurts, drei Monate später nur, am 10. Oktober 1986, ermordet die RAF den Diplomaten Gerold von Braunmühl. Die Bonner Regierungsstellen müssen die Einbürgerung der RAF-Mitglieder in die DDR, deren Herauslösen aus dem Terrorismus, geradezu als eine diskrete Hilfestellung durch den anderen deutschen Staat empfunden haben.

Die Indizien mehren sich, daß der Regierung in Bonn der Gang der RAF-Müden in die DDR bekannt war. Der frühere Chef des Bundeskriminalamtes, Hans-Ludwig Zachert, meint heute, entsprechende Hinweise in Richtung DDR seien in Bonn als „störend“ empfunden und ignoriert worden, weil deren Bekanntwerden die angepeilte Entspannungspolitik belastet hätte. Zachert dürfte irren. Die Einbürgerung der RAF-Leute – immer noch unterstellt, Bonn wußte darum – mußte auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs als eines der großen Staatsgeheimnisse gehandelt werden. Keine Bundesregierung, gleichgültig ob CDU- oder SPD-geführt, hätte den obersten Kriminalen aus der Wiesbadener Behörde ohne Not eingeweiht. Bonn und Ostberlin hätten sich schließlich wechselseitig in der Hand gehabt. Ein kleiner Tip an die jeweils andere Seite hätte hüben wie drüben eine Staatskrise ausgelöst, deren Konsequenzen weder abzusehen noch zu kalkulieren gewesen wären. Die von Zachert beklagte Ignoranz der damaligen Bundesregierung ist deshalb schon eher ein Beleg, daß die Staatsführung der DDR in der Tat die Bundesregierung verständigt hatte.

Auch aus Sicht der DDR wäre eine Verständigung der Bundesregierung oder einzelner Regierungsmitglieder nur konsequent gewesen. Schließlich mußte auch die Ostberliner Staatsführung ein Interesse haben, die alte Bundesrepublik einzubinden – um zu verhindern, daß der politische Sprengsatz unter den eigenen Stühlen hochgeht. Noch ist nichts bewiesen. Auch wenn es plausibel erscheint. Wolfgang Gast