Kleinanleger in Albanien hoffen auf Entschädigung

■ Die größte Finanzgesellschaft des Landes will zukünftig nie mehr spekulieren

Tirana/Vlora (AFP/taz) – Rund tausend Albaner haben gestern in Tirana vor dem Sitz der Kapitalanlagegesellschaft Vefa auf die Rückzahlung ihrer Spareinlagen gewartet. Das Finanzunternehmen hatte zuvor eine erste Liste mit rund hundert Sparern veröffentlicht, die entschädigt werden sollten. Es handelt sich dabei um Kleinanleger, die Summen bis zu 5.000 Dollar in die Finanzgesellschaft gesteckt haben. Der Vorsitzende der Vefa Holding, Vehbi Alimucaj, versprach darüber hinaus, allen Sparern in den kommenden drei Monaten ihre Einlagen, allerdings ohne Zinsen, zurückzuzahlen. Vefa wolle künftig jegliche spekulativen Aktionen unterlassen, sagte Alimucaj. Die größte Finanzgesellschaft Albaniens hatte das Geld unter anderem im Immobilien- und Erdölsektor investiert.

Das albanische Fernsehen hatte in Werbespots die größte Finanzgesellschaft des Landes als „albanisches Wirtschaftswunder“ angepriesen und rund 80.000 Menschen dazu verführt, insgesamt mehr als 200 Millionen Dollar anzulegen. Angelockt durch hohe Zinsversprechungen hatten viele Anleger Läden, Häuser, Vieh, Land und anderen Besitz verkauft. Viele sind seitdem obdachlos und völlig ohne Einkommen. Die Menschen vor dem Vefa-Sitz zweifelten allerdings daran, daß sie ihr Geld tatsächlich zurückbekommen.

In der südalbanischen Stadt Vlora traten gestern 45 Studenten in einen Hungerstreik, mit dem sie den Rücktritt der Regierung forderten. Zugleich demonstrierten erneut 3.000 Menschen auf der Straße. Für den Nachmittag waren weitere Demonstrationen geplant. Durch Anlagegeschäfte mit windigen Firmen wurden in Albanien Tausende Kleinanleger ruiniert. Sie versammeln sich seit dem 15. Januar täglich zu Protestdemonstrationen und geben der Regierung Mitschuld an ihrem Ruin, weil diese die betrügerischen Geldanlagegesellschaften zu lange duldete und sie nicht warnte.

Der albanische Präsident Sali Berisha befindet sich seit Wochenbeginn auf einer Goodwill-Tour durch das Land. Doch hat er bislang nur vor ausgewählten Anhängern gesprochen. Berisha räumte bislang lediglich ein, daß die Regierung die betrügerischen Anlagengeschäfte nicht unterbunden habe. Der Internationale Währungsfonds hatte die Regierung bereits im Oktober vergangenen Jahres vor den Konsequenzen der Pyramidengeschäfte gewarnt. Eine staatliche Entschädigung der Sparer schloß Berisha dennoch generell aus. Allerdings stellte er in Aussicht, daß Bauern auf zwei Jahre keine Steuern mehr zahlen müssen. Familien, die ihr Haus verloren haben und obdachlos sind, sollen zinsfreie Kredite erhalten.