Geschäfte deutscher Konzerne im Schatten von Shell

■ Erfolgreich sind die Töchter von Bilfinger & Berger und MAN. Auch Siemens, Mercedes und BASF halten am Standort Nigeria fest – trotz der Militärdikatur

„Das ist eine schwierige Frage. Das werden Sie verstehen.“ Die Öffentlichkeitsarbeiter der deutschen Großkonzerne tun sich schwer beim Thema Nigeria. Geschäfte im Land des Diktators Sani Abacha sind dem Image abträglich. Augen zu und durch heißt die Devise. Keiner der befragten deutschen Konzerne hat nach der Ermordung des Ogoni-Führers Ken Saro-Wiwa im vergangenen November Anstrengungen unternommen, um die katastrophale Menschenrechtslage im Gastland Nigeria auch nur ein bißchen zu lindern. Zugenommen haben im ersten Halbjahr 1996 nur die deutschen Exporte nach Nigeria – um rund 35 Prozent auf 478 Millionen Mark. Das ergab jedenfalls eine kleine Umfrage der taz.

Hinter dem breiten Rücken der Royal Dutch/Shell, die für ihre seit 40 Jahren währenden Geschäfte im bevölkerungsreichsten schwarzafrikanischen Land international gescholten wird, haben sich vor allem die Essener Ferrostaal AG und Julius Berger gut eingerichtet. Ferrostaal, eine 100prozentige Tochter des MAN Konzerns, arbeitet seit Jahren in Nigeria. Das derzeit größte Projekt der Anlagenbauer aus dem Ruhrgebiet ist das Alscom Aluminium Project, eine neue Alu-Hütte, die insgesamt einmal zwei Milliarden Dollar teuer werden soll. Alscon, die Aluminium Smelter Company of Nigeria, produziert schon heute 90.000 Tonnen Aluminium im Jahr. Ferrostaal ist einer der Konsortialführer des Riesenprojekts.

Die Firma, die jedem Kunden „ihre exzellenten Kontakte zur Verfügung stellt“ (Eigenwerbung), hat auch in Nigeria solche Kontakte: Der Sohn des Diktators Sani Abacha durfte sich beim Konzern in Essen fortbilden, schrieb die Süddeutsche Zeitung im vergangenen November. Das ist ganz im Sinne der Konzernphilosophie: „Während der Bauphase gewährleistet die Firma eine gründliche Ausbildung für das Bedienungspersonal des Kunden.“ Gegenüber der taz war der Konzern diese Woche zu keiner Aussage in der Lage.

Der größte Devisenbringer Nigerias ist nach wie vor das Erdöl. Nigerias Reserven werden auf 20 Milliarden Barrel geschätzt. Auch von den 990 Millionen Mark nigerianischer Exporte in die Bundesrepublik machte das Erdöl 1995 über 80 Prozent aus. Im Öl- und Gasgeschäft ist auch Julius Berger PLC, eine Tochter des größten deutschen Baukonzerns Bilfinger & Berger, aktiv. 273 Millionen Mark haben die 11.100 Mitarbeiter von Julius Berger 1995 in Nigeria umgesetzt. Aber nicht als Ölförderer, sondern als Baufirma. Die 1970 gegründete Tochter der Mannheimer hat jetzt einen Großauftrag bekommen. Für die vier Milliarden Dollar teure Gasverflüssigungsanlage, die unter Führung von Shell auf Bonny Island im Niger Delta gebaut wird, erstellt Julius Berger Fundamente und Landungsbrücken. Auftragswert für den Bauriesen: 160 Millionen Mark. Ein Auftrag nach jahrelanger Durststrecke – der Diktator bevorzugte bislang einen Duzfreund aus dem Libanon als Bauherrn.

Der Wiederanstieg der deutschen Exporte nach der Exekution Ken Saro-Wiwas hängt offenbar mit neuen politischen Lockungen Nigerias zusammen. Privatisierung ist das Stichwort. Weil den Militärs das Geld ausgeht, sollen private Geldgeber aus Übersee ran. Ende Oktober kündigte der nigerianische Finanzminister Anthony Ani sogar den Verkauf der staatlichen Anteile der Ölindustrie an. Bis zu 20 Milliarden Dollar wollen die Militärs erlösen. Angeblich stehe Exxon schon vor der Tür.

Auf solche Angebote warten deutsche Konzerne bislang noch vergeblich. Mercedes hat zwar 1977 mit dem nigerianischen Staat das ANAMMCO Joint-venture zum Bau von Lastwagen vereinbart. Rund 1.000 Leute arbeiten heute in der Fabrik. Aber statt der 5.000 Lastwagen, die früher vom Band rollten, werden heute im nigerianischen Enugu bestenfalls noch 300 neue Laster im Jahr gebaut.

Auch Siemens, die Strabag und BASF haben schon bessere Zeiten gesehen. Deutschlands viertgrößter Baukonzern Strabag sagt, man könne bei der nigerianischen Tochter von 160-Millionen-Mark- Aufträgen, wie sie Berger bekomme, nur träumen. Bei BASF ist der Umsatz von einst über 100 auf 30 Millionen im Jahr 1995 geschrumpft. Und bei Siemens wurden im vergangenen Jahr gerade noch 60 Millionen Mark in Nigeria umgesetzt, die Hälfte davon für Telefonanlagen und ähnliches. 500 Leute beschäftigt der Multi in Nigeria.

Die Philosophie der Manager hat der Mord an Ken Saro-Wiwa und seinen acht Mitstreitern genauso wenig erschüttern können wie das brutale Auftreten der Militärdiktatur: „Wir arbeiten in 190 Ländern“, so Siemens-Sprecher Thomas Weber. „Wenn wir aus jedem Land mit einer solchen Diktatur herausgehen wollten, müßten wir das bei 40 Prozent der Staaten tun. Bis wir abziehen, sind sowieso die meisten Ausländer verschwunden.“ Hermann-Josef Tenhagen