Franzosen gegen Papst und Chlodwig

Diese Woche will der Papst in Reims König Chlodwig huldigen, der vor 1.500 Jahren den Katholizismus in Frankreich verankerte. Papstgegner machen mobil – mit einigem Erfolg  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Gott ist gut – am Grill“ lautet der Text zu der ebenso drastischen Karikatur in der französischen Anarchistenzeitung Le Chat noir. Daneben sind sorgfältig die Verfehlungen eines fränkischen Königs aus dem fünften Jahrhundert (unserer Zeit) aufgelistet: Er sei ein Mörder gewesen, ein skrupelloser Krieger und ein Frauenfeind dazu.

Anlaß für die antiklerikale und antimonarchistische Aufregung ist der bevorstehende Papstbesuch. Während seines viertägigen Aufenthalts von Donnerstag bis Sonntag in Frankreich will Johannes Paul II. nicht nur das „Sankt-Martins-Jahr“ in Tours eröffnen, sondern vor allem dem Frankenkönig Chlodwig huldigen, der sich vor rund 1.500 Jahren zum Christentum bekehren und in Reims taufen ließ. Mit einem gigantischen Festakt auf dem Luftwaffenstützpunkt Nummer 112 vor den Toren der nordfranzösischen Stadt wird der Papst jener Taufe gedenken, die den Anfang des Siegeszugs der Kirche über das heidnische Gallien markierte. Heute wird das Ereignis von katholischen Integristen wie französischen Regierungsmitgliedern „Taufe Frankreichs“ genannt.

Für viele Anhänger der Französischen Republik ist das unerträglich. Landauf, landab fanden sie sich zusammen, um gegen die „historische Verfälschung“ und den „Kirchenvormarsch“ zu protestieren. Nicht überall sind ihre Namen so eindeutig wie der des Kollektivs „Vade Retro Papanas“ in der erzkatholischen westfranzösischen Region Vendée, wo der Papst das Grab von „Sankt Louis-Marie de Montfort“ besuchen will. Am Bestattungsort jenes Heiligen, der von den monarchistischen Kämpfern gegen die Französische Revolution verehrt wurde, explodierte in der vergangenen Woche eine kleine Bombe – freilich ohne Sachschaden anzurichten. In den Städten Reims, Tours und Paris nennen sich die militanten Laizisten schlicht „Papstgegner“. Doch ihre Aufforderung an den Pontifex, er möge gefälligst in Rom bleiben, ist nicht weniger energisch.

Mit Verve kämpfen sie auch gegen den Einsatz öffentlicher Mittel für den Papstbesuch. Zwar hat Staatspräsident Jacques Chirac aus seinen katholischen Sympathien nie einen Hehl gemacht – nach seiner Wahl im vergangenen Jahr war er demonstrativ in die Kirche gegangen, und im Januar dieses Jahres trat er als erster Staatschef seit Jahrzehnten eine Reise zum Papst nach Rom an. Aber dank der seit 1905 gesetzlich vorgeschriebenen Trennung von Staat und Kirche errangen die Papstgegner bereits mehrere gerichtliche Siege gegen die Behörden. Staatliche Subventionen für die Logistik bei kirchlichen Ereignissen – auch wenn es sich um Tribünen handelt – sind ungesetzlich, erklärten die Richter. Mehrere Millionen bereits zugesagte Francs mußten daraufhin storniert werden.

Seit Monaten veranstalten die Antipapisten Demonstrationen – die größte soll am Sonntag in Paris stattfinden, während der Papst in Reims seine Chlodwig-Zeremonie abhält – und fordern die Gläubigen dazu auf, ihre Namen aus den Taufregistern streichen zu lassen.

Was bei der Taufe von Chlodwig tatsächlich geschah, weiß heute niemand. Selbst ihr Datum – sie soll zwischen 496 und 499 stattgefunden haben – verliert sich im Nebel der Mythenbildung, an der später alle französischen Könige, aber auch die Regierenden der Republik mitgewirkt haben. Das Ereignis verschaffte ihnen historische Legitimation sowie einen „Gründervater“ der Nation. Auch der Name „Clovis“ alias Chlodwig alias Hludovicus – was soviel wie „berühmt durch seine Kämpfe“ bedeutet – blieb nützlich. In seiner französisierten Version „Louis“ schmückte er die französischen Könige bis zur Revolution.

Vor seiner Taufe soll der König der Franken eine Schlacht gegen die Alemannen bei Tolbiac, dem heutigen Zülpich, gewonnen haben. Die Legende will, daß er für diesen Fall seine Christianisierung versprochen hatte. Seine Gattin Klothilde, die schon bei der Eheschließung zu der Minderheit der Christen gehörte, habe den Heiden zusätzlich zu diesem Schritt gedrängt. Mit der Taufe jedenfalls wurde Chlodwig zum absoluten Monarchen „von Gottes Gnaden“. Die Bischöfe ihrerseits avancierten zur entscheidenden zweiten Instanz in dem Staat, der sich im Nordteil des vormaligen römischen Galliens befand. Bis aus diesem Gebilde Frankreich wurde, sollten noch viele Staatenteilungen, -gründungen und -allianzen vergehen müssen.

Das republikanische Frankreich hat die katholische Kirche mächtig gestutzt. Heute gehören nicht einmal mehr die Kirchengebäude der Institution, deren Spitzen sich dennoch höchst staatsloyal zeigen. Die wütenden Proteste gegen den Papstbesuch wollen sie nicht verstehen. Kardinal Lustiger von Paris bezeichnet sie als „fanatisch“ und „intolerant“. Dann ordnet er die Taufe Chlodwigs historisch ein. Für die französische Geschichte stehe sie in einer Reihe mit der Revolution von 1789.