■ Mit Japans Jugendarbeit auf du und du
: Scham in der Eiszeit

Tokio (taz) – Mit 21 Jahren fühlt sich Yoshiyuki Tenmei von der Gesellschaft verstoßen. „Ich komme mir vor wie ein Sozialfall“, meint Tenmei, nachdem er in den letzten zwölf Monaten Hunderte von Bewerbungen losschickte, etliche Einstellungsgespräche führte und Dutzende von Tests durchlief, um am Ende erneut ohne einen festen Job dazustehen. Zwar muß sich Tenmei keine materiellen Sorgen machen. Wie die meisten in seinem Alter lebt er bei den Eltern. Aber Tenmei schämt sich vor der Familie: „Meine Verwandten flüstern, warum ich keine Arbeit habe.“

Wie Tenmei geht es vielen. Obwohl Jugendarbeitslosigkeit in Japan noch bis Anfang der 90er Jahre nahezu unbekannt war, stehen heute sieben Prozent der 15- bis 20jährigen ohne Beschäftigung da – die höchste Arbeitslosenquote aller Altersgruppen. Im Durchschnitt liegt die Arbeitslosigkeit erst bei 3,4 Prozent.

An der Jugend rächt sich heute das Senioritätsprinzip japanischer Firmen. Da ältere Arbeitnehmer auch dann kaum entlassen werden, wenn sie im Unternehmen über keine Funktion mehr verfügen, sparen die Firmen vor allem bei der Einstellung neuer Kräfte. Jugendmagazine sprechen von einer „Supereiszeit“ für Stellenbewerber. Kein Wunder, wenn viele Jugendliche den Glauben an das japanische System verlieren. Die Unternehmen erwarten von ihren Angestellten immer noch die volle Aufopferung für die Firma.

Bewerber suchen dagegen zunehmend nach Spaß und Selbstverwirklichung bei der Arbeit. Nur noch 19 Prozent der 18- bis 23jährigen identifizieren sich laut einer Umfrage mit einer sozialen Gruppe wie der Firma, nur noch 31 Prozent von ihnen wollen ihr ganzes Leben in einem Unternehmen arbeiten, wie es in Japan bisher üblich war.

Unsicherheit und Orientierungslosigkeit der Jugend sind in Japan auch eine Folge der eintönigen Lebenswege der Elterngeneration: Wer die Prüfungshölle an den Schulen durchstanden hatte, konnte sich an der Uni ausruhen, bevor er mit durchschnittlich 24 Jahren in die Firma seines Lebens eintrat. So einfach konnte das Arbeitsleben nicht weitergehen.

Obwohl er sich ausgestoßen fühlt, ist Yoshiyuki Tenmei nicht verzweifelt: „Ich habe jetzt Zeit, darüber nachzudenken, was ich wirklich will.“ So hat Tenmei sein altes Hobby, die Kabuki-Schauspielerei, wiederaufgenommen. Übrigens ganz im Sinne des Arbeitsministeriums, das in seinem jüngsten Weißbuch die Jugend zur Autodidaktik auffordert – nur so lasse sich der Mangel an Kreativität im japanischen Bildungssystem kurzfristig ausgleichen. Georg Blume