Damit der Mangelleidende nicht versinke

■ Zehn Jahre Lawaetz-Stiftung: Selbstorganisationspotential fördern, Privatkapital suchen

„Sehr oft aber kann und will der Mangelleidende sich forthelfen; allein es fehlt ihm an Gelegenheit und Mittel dazu. Hier muß, damit er nicht versinke, mit möglichster Schnelligkeit alles angewandt werden, um ihn auf den selbst gewünschten Weg des Erwerbs (...) wieder hinzuführen.“ Die Erkenntnis, daß Armut nicht durch Almosen, sondern durch Hilfe zur Selbsthilfe und Schaffung von Arbeitsplätzen zu bekämpfen sei, formulierte der Altonaer Textil-Fabrikant Johann Daniel Lawaetz (1750-1826) bereits 1815 in seinem Buch „Ueber die Sorge des Staats für seine Armen und Hülfsbedürftigen“.

160 Jahre nach dem Tod des Industriellen beschloß die Bürgerschaft 1986 die Gründung der gleichnamigen „Johann Daniel Lawaetz-Stiftung“ mit dem Ziel, „solche Projekte zu initiieren und zu fördern, die für sozial benachteiligte Personen Wohn-, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten schaffen“. Gestern feierte die Stiftung ihr zehnjähriges Bestehen.

Als alternative Sanierungsträgerin, Projektentwicklerin oder Beraterin von selbstverwalteten Betrieben hat die Stiftung mit ihren 25 MitarbeiterInnen bislang mehr als 1000 Projekte beraten, vielen von ihnen zum Durchbruch verholfen. Darunter Schmidt-Theater, Café Fritz Bauch, Schanzenstern-Hotel, Frauenprojekt fairlines (Reisevermittlung), Hebammenprojekt (Geburtshaus), Winkelmannscher Hof, Hafenstraße („Wohnen mit gesellschaftspolitischen Bezügen“) oder das Sanierungsprojekt Jägerpassage. Zwanzig Millionen Mark hat die Stiftung, die selbst mit 1,7 Millionen Mark von der Sozialbehörde getragen wird, dafür eingeworben und umverteilt. „Nach zehn Jahren können wir wohl sagen“, so Lawaetz-Geschäftsführerin Karin Schmalriede gestern bescheiden, „daß alternative Sanierung und Existenzgründung funktionieren“.

Allerdings würden die finanziellen Mittel zur Bekämpfung der Armut immer knapper – nicht aufgrund von Kürzungen, „sondern weil sie auf immer mehr Schultern verteilt werden müssen“. Die Lawaetz-Stiftung will deswegen künftig neben staatlichen und EU-Fördertöpfen zusätzlich auch privates Kapital nach dem Vorbild des „public private partnership“ einwerben.

Verändert haben sich auch die Adressaten. „Vor zehn Jahren“, erinnert sich Schmalriede, „hatten wir es vor allem mit der Hausbesetzer-Szene zu tun. Die machten auf Leerstand aufmerksam und wehrten sich. Heute schlafen viele Wohnungslose unter Brücken“. Lawaetz wendet sich deshalb vermehrt „offensiv“ solchen Gruppen zu, deren „Selbstorganisationspotential zunächst sehr gering“ ist.

Mehrere Wohnprojekte für Obdachlose sind in Planung oder im Bau. Und: War die Arbeit früher „programmatisch-projektbezogen“, ist Lawaetz seit Anfang 1995 eher gebietsbezogen (Bergedorf-West, Eidelstedt) tätig. Denn „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist umso effektiver, je mehr Menschen im Stadtteil mitmachen. Heike Haarhoff