Cafe' au lait, wird echt fair gehandelt - im BIZ

■ 21 Bremer Gruppen und Institutionen und das BIZ arbeiten an einer Ausstellung/ Enthusiasmus, Vernetzung und viel Pappe

Der Gemeinschaftsraum der Seemannsmission sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. In einer Mischung aus Kinderladen, Plenum und Hobbythek gestikulieren AktivistInnen mit farbverschmierten Klebefingern. Langhaarige Szene-Typen bearbeiten ächzend mit dem Tapetenmesser die Pappwabenplatten und referieren über Peripherie und Zentrum. Kreatives Chaos – was sonst soll herrschen, wenn 21 verschiedenartige Gruppen und Institutionen an einer Ausstellung werkeln?

„Von Kaffee, Baumwolle, ausgetretenen Schuhen und neuen Wegen“ heißt die Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe des Bermer Informationszentrums für Menschenrechte und Entwicklung (BIZ), die am 8. September zur Hundertjahrfeier im ersten Stock des Überseemuseums kritische Akzente setzen soll.

Mehr als 80 Aktive von so unterschiedlichen Gruppen und Institutionen wie dem Informationszentrum Afrika (IZA), dem Katholischen Bildungswerk, dem Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit oder der Seemannsmission veranstalten dafür bastelnderweise ein unglaubliches Durcheinander.

Barbara Matuschewski vom BIZ, die das hier eigentlich koordinieren soll, ficht das nicht an: „Unser Ziel ist es, für Bremen neue Wege aufzuzeigen.“ Und die führen notfalls durch die knietiefen Späne von 225 Pappwabenplatten.

Schon jetzt zeichnet sich aber ab, daß diesmal mehr drin ist als die berechtigte, aber ausgenudelte Litanei der guten Menschen über das Unwesen der Rüstungsexporte und des unfair gehandelten Kaffees. Unter den Pappbergen warten tatsächlich neue Ansätze. Erstens ist der Bremen–Bezug nicht nur spannend, sondern auch berechtigt. „Schließlich ist Bremen als Welthafen und Handelsplatz im Nord-Süd-Konflikt ganz zentral dabei“, sagt Matuschewski. Zweitens schaut immer jemand von einem anderen Projekt über die Schulter, wenn die Rüstungsgruppe hochkopierte taz-Artikel in Form schneidet oder der Entwicklungspolitische Arbeitskreis versucht, Produktglobalisierung mit schwarzen und weißen Flächen und ganz ohne Text zu abstrahieren.

Es wird kritisiert und diskutiert. Matuschewski: „Das ist natürlich auch ein Stück weit Vernetzung.“ Tatsächlich schwadroniert auf einmal der ausgeflaggte Seemann mit der Ökoliese über Fluchtursachen. „Früher haben welche den Kaffee international thematisiert und andere lokal die Massentierhaltung für die Milch. Jetzt reden wir gemeinsam darüber, wie denn der faire Cafe' au lait aussehen könnte,“ faßt Angela Wilhelms vom Bremer Umweltforum zusammen.

Schließlich deutet auch Michael Glöge vom Eine-Welt-Laden Zentrales am geplanten Gang ins mittlerweile entpolitisierte Überseemuseum an: den Streitbaren reicht das Szene-Ghetto nicht mehr. „Wir gehen dahin, wo die Menschen sind.“ Es geht also auch um Präsentation, um den Gedanken, wie die korrekten Aussagen an die Menschen kommen. Hier hilft die Hochschule für Künste. Ein durchgängiges, straffes Design und eine einheitliche Typographie sollen dem Auge Halt geben.

Doch noch ist es trotz guter Ansätze und viel Enthusiasmus ein langer Weg von den Pappbergen zur professionellen Ausstellung. Zwar erläutert Elke Grawert vom IZA euphorisch ihren Beitrag: ein Raum, der Nigeria thematisiert. „An einer Wand ist der vom Öltransport angegriffene Urwald zu sehen, und dahinter schimmert schemenhaft eine Tanksäule. Auf der anderen Seite ist dann ein Ogoni–Dorf hinter Gittern zu sehen, und dazu laufen Filme und Gedichte von Ken Sao-Wiwa.“ Bislang aber ist erst der presspappene Füllhahn für die Zapfsäule fertig.

Lars Reppesgaard

Ausstellung:

„Von Kaffee, Baumwolle, ausgetretenen Schuhen und neuen Wegen“, vom 8. September bis zum 30. Oktober im Überseemuseum, organisiert vom Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung (BIZ).