■ Die Teststoppverhandlungen sind vorläufig gescheitert
: Abrüstung auf indisch

Sie stehen anscheinend unter keinem guten Stern, die nunmehr auf den 29. Juli vertagten Genfer Abrüstungsverhandlungen über ein umfassendes Teststoppabkommen. Erst waren es die chinesischen und französischen Nukleartests, die den 61 Verhandlungsdelegationen das Leben schwermachten, dann die Streitigkeiten über die Zulässigkeit subkritischer Kernsprengungen und die Zusammensetzung des geplanten internationalen Überwachungssystems. China bestand gar bis vor kurzem auf der Forderung, Kernexplosionen für friedliche Zwecke durchführen zu dürfen.

Und jetzt Indien. Wohlplaziert platzte die Ankündigung, den Vertragsentwurf nicht unterzeichnen zu wollen, in der vergangenen Woche in die Schlußphase der Verhandlungen. Zur Begründung verweisen die Inder auf das Fehlen eines konkreten Zeitplans für die vollständige nukleare Abrüstung der Kernwaffenstaaten.

Das ist zwar prinzipiell richtig, hat aber mit den vorrangigen Verhandlungszielen der Genfer Konferenz nur bedingt etwas zu tun. Das Ausscheren eines der drei nuklearen Schwellenländer, zu denen neben Indien auch Pakistan und Israel zählen, ist vielmehr auf den alten Konflikt zwischen den etablierten Kernwaffenstaaten auf der einen und den übrigen Staten auf der anderen Seite zurückzuführen. Dabei spielen Prestige- und Statusfragen eine wesentliche Rolle. Zuletzt war dieser Konflikt im vergangenen Jahr anläßlich der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags offen zutage getreten – mit dem besseren Ausgang für die etablierten Kernwaffenstaaten, die einen verbindlichen Reduzierungszeitplan für ihre Arsenale verhindern und gleichzeitig die unbefristete Verlängerung des Vertrags erreichen konnten.

Der jetzige indische Vorstoß mag insofern als Retourkutsche verständlich sein – dem proklamierten Ziel der nuklearen Abrüstung dient er nicht. Ohne einen umfassenden Teststoppvertrag muß im Gegenteil sogar befürchtet werden, daß nicht einmal die qualitative Aufrüstung gestoppt werden kann. Dr. Jörg Wallner

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)