Streit um Reservate

■ Brasiliens Gouverneure wollen die Schutzgebiete der Indianer aufheben

Rio de Janeiro (taz) – Nicht Goldsucher und Tropenholzexporteure, sondern Brasiliens Gouverneure sind die schärfsten Gegner der rund 300.000 Ureinwohner im größten Land auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Nach einem internen Papier der brasilianischen Indianerschutzbehörde „Funai“, das der taz vorliegt, stammt die große Mehrheit von Einsprüchen gegen Indianerreservate von Landesregierungen.

Spitzenreiter ist das Bundesland Para am Amazonas. In den ersten vier Monaten des Jahres überschwemmte eine Flut von 1.020 Einsprüchen gegen 54 Reservate die Indianerschutzbehörde „Funai“. Die Einspruchswelle beruht auf der Revision des sogenannten Dekretes 1.775 (die taz berichtete). Das juristische Manöver der brasilianischen Regierung berechtigte jede brasilianische Gemeinde, jedes Bundesland oder jeden Grundstückseigentümer, die sich durch die Anlage eines Indianerreservates geschädigt fühlen, zwischen dem 8. Januar und 8. April dieses Jahres vor Gericht Einspruch zu erheben.

Die Feindseligkeit gegenüber Indianern am Amazonas erklärt sich Roberto Liebgott, Vorsitzender des Rates der katholischen Indianermission „Cimi“, vor allem durch die Rivalität von Goldsuchern und Holzfällern. „Was jetzt noch an Edelhölzern übrig ist, befindet sich in den Reservaten“, erklärt Liebgott.

Bezeichnenderweise würde die Landesregierung von Para lieber den Edelholzexport fördern, statt sich pflichtgemäß für die Rechte der Ureinwohner einzusetzen, wie es die brasilianische Verfassung vorschreibe. Alle dreizehn Gebiete, die durch die Revision des Dekrets betroffen waren, hat der Gouverneur von Para, Almir Gabriel, mit seinem Einspruch angefochten.

Die Situation in Para ist explosiv“, erklärt „Cimi“-Vorsitzender Liebgott. Doch alle Gouverneure, die der Regierungspartei PSDB angehörten oder sie unterstützten, unter anderem von Rio de Janeiro, São Paulo, Minas Gerais, Roraima, Amazonas und Mato Grosso, hätten sich an dem Einspruchsrecht gegen Indianerreservate eifrig beteiligt. Liebgott hat die Hoffnung auf eine zügige Demarkierung von Indianergebieten unter der Regierung von Präsident Fernando Henrique Cardoso mittlerweile aufgegeben.

Von den insgesamt 555 Reservaten könnten nach „Cimi“-Schätzungen 343 revidiert werden. Liebgott fordert nun von Cardoso die rasche Abgrenzung der restlichen 212 Gebiete, gegen die keinerlei Einwände bestehen. „Für eine Verzögerung gibt es nun wirklich keinen Grund mehr“, erklärt er. Astrid Prange