Rebellion gegen den Ruhestand

■ Paraguays Armeechef krönt Abtritt mit Putschversuch

Rio de Janeiro (taz) – Die Gefahr eines Staatsstreiches in Paraguay scheint vorerst gebannt. Paraguays Verteidigungsminister Luis Maria Ramirez Böttner erklärte gestern früh gegenüber dem spanischen „Radio Nacional“, die Rebellion des Chefs vom Ersten Heereskorps, General Lino Oviedo, sei beendet. „Oviedo geht in den Ruhestand. Es gibt keine Bewegung gegen die Regierung“, versicherte der Verteidigungsminister. Trotz der offiziellen Dementi kursieren in Paraguays Hauptstadt Asunción weiterhin wilde Putschgerüchte. Eine Radiostation in Asunción hatte gemeldet, der Präsident sei von seinem Amt zurückgetreten, nachdem er und seine Familie mit dem Tode bedroht worden seien.

Die bisher schärfste Regierungskrise von Paraguays erstem demokratisch gewählten Präsidenten Juan Carlos Wasmosy begann während einer Besprechung mit den Vorsitzenden der Streitkräfte am Montagabend im Regierungspalast in Asunción. Staatsoberhaupt Wasmosy schickte Armeechef Lino Oviedo aufgrund wiederholter Gesetzesverstöße in den Ruhestand. Nach paraguayischem Recht dürfen aktive Militärs sich nicht in die Politik einmischen – Oviedo allerdings möchte gern nächster Präsident werden. Er hatte gefordert, die für den kommenden Sonntag angesetzten, internen Wahlen der Colorado-Partei zu verschieben. Sowohl der General als auch Staatsoberhaupt Wasmosy gehören der in Paraguay seit rund 50 Jahren regierenden Colorado-Partei an. Bei den parteiinternen Wahlen, die in den vergangenen sechs Monaten bereits fünf Mal verschoben wurden, soll über die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 1998 entschieden werden. General Lino Oviedo artikuliert seine Kandidatur bereits seit dem vergangenen Jahr.

Der beim Volk beliebte Armeechef ist für seinen Hang zum Staatsstreich bei den rund vier Millionen Einwohnern Paraguays bereits bekannt. Bei den ersten demokratischen Wahlen des Landes im Mai 1993 – Paraguay wurde seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1811 vom Militär regiert – bedrohte er die damals aussichtsreichen Oppositionskandidaten. „Die Colorado-Partei wird unabhängig von den Wahlergebnissen das Land weiterhin regieren“, verkündete er zwei Tage vor den Wahlen am 9. Mai 1993.

Nicht nur Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungspartei, auch Proteste der Opposition verursachen in dem kleinen lateinamerikanischen Land Putschgerüchte. Bei dem jüngsten Generalstreik am 28. März dieses Jahres forderten die rund 180.000 Beamten des Landes zusammen mit Gewerkschaftsvertretern den Rücktritt von Präsident Wasmosy sowie eine generelle Lohnerhöhung von dreißig Prozent. Der landesweite Protest versetzte die Armee in Alarmbereitschaft. „Wenn die Regierung nichts taugt, dann soll sie abtreten“, forderte damals Gewerkschaftsvertreter Alan Flores. Aus Furcht vor weiteren Unruhen kam Wasmosy den Forderungen der Gewerkschaften entgegen und bewilligte Lohnerhöhungen um 25 Prozent. Astrid Prange