Gerecht im Regen stehen

■ Neulich in Eimsbüttel: Wie ein Antrag auf Bezuschussung eines Fahrradhäuschens einmal zur Kapitalismuskritik geriet Von H. Haarhoff

Hans Einfeldt ist ein gradliniger Mensch. Zeitgleiches Arbeiten an mehreren Projekten ist dem Verwaltungsangestellten der Eimsbütteler Tiefbauabteilung ebenso verhaßt wie die vielen kleinen Ungerechtigkeiten des Alltags. Wolfgang Fellenz ahnte nichts von all dem, als er an einem schönen Tag im vergangenen August in das von Grundprinzipien geprägte Leben des Hans Einfeldt trat: Sein Antrag auf öffentliche Bezuschussung eines Fahrradhäuschens für die Hausgemeinschaft Grindelhof 19 liegt bis heute auf Eis.

„Der Herr Fellenz ist der Ansicht, er müsse das Häuschen sofort haben“, erteilt Hans Einfeldt seit Monaten jedem neuerlichen Vorschlag zur zügigen, unbürokratischen Abwicklung einen abschlägigen Bescheid. In seiner Tiefbauabteilung „wird niemand bevorzugt behandelt“, es gibt eine Warteliste – auch für Radboxen –, und „die arbeite ich kontinuierlich ab“. In bereits sieben Jahren, will Einfeldt aber nicht gleich jede Hoffnung zunichte machen, könne „der Herr Fellenz“ schon mit Bewilligung des Zuschusses rechnen.

Im vorigen Sommer hatten die Eigentümer des Mietblocks Grindelhof 19 Fahrräder ab sofort aus dem geräumigen Treppenhaus verbannt. Die radelnden Hausbewohner aus dem Uni-Viertel mußten sich der Laune ihrer Vermieter beugen. Um die Drahtesel aber vor Demolierung und Klau zu schützen, baten sie, ein Radhäuschen aufstellen zu dürfen. Die dreimal drei Quadratmeter großen Boxen für zwölf Räder werden seit fünf Jahren in der Beschäftigungswerkstätte Hamburg-West von ABM-Kräften gebaut und kosten das Stück 8600 Mark, von denen 5000 Mark öffentlich bezuschußt werden können.

Doch die Liste der Antragsteller bei der Tiefbauabteilung ist lang, die Fördermittel sind begrenzt: „Wir können pro Jahr nur zehn Häuschen im Bezirk bezuschussen“, bedauert Hans Einfeldt. Wolfgang Fellenz aber wollte nicht so lange warten: Er bot an, das Haus vorzufinanzieren. Der Bezirk könne dann zu gegebener Zeit den Betrag zurücküberweisen. Unerhört, befand Sachbearbeiter Einfeldt. Erstens sei „ungewiß“, ob in den nächsten Jahren überhaupt noch Zuschüsse für Radhäuschen bewilligt würden. „Wir können doch nicht vorab über den kommenden Haushalt verfügen.“

Zweitens widerstrebt ihm die offenkundige Ungleichbehandlung. „Hier kommt niemand eher an sein Radhäuschen, nur weil er reicher ist.“ Herr Fellenz habe gut reden – und wahrscheinlich keine Schwierigkeiten, „bei der Bank einen Kredit zu kriegen“. Im Gegensatz zu Sozialhilfeempfängern, weiß der bekennende Antikapitalist Einfeldt, die schließlich gleichen Anspruch auf die Radbox hätten. Er aber werde der letzte sein, der die Bevorzugung der Eimsbütteler Bourgeoisie auf dem Amtsweg unterstütze.

Wolfgang Fellenz, dem sich diese Logik nicht erschließen will, wagte einen zweiten Vorstoß: Nicht die Bank, sondern die Hauseigentümer würden die Vorfinanzierung übernehmen. Geduldig erklärt Einfeldt, warum er sich „auch diesmal stur gestellt“ hat: „So einen großzügigen Vermieter“ hält er für ein Privileg. Würde doch die Saga beispielsweise den Teufel tun, ihren Sozial-Mietern einen 5000-Mark-Vorschuß zu gewähren.

Jahre über Jahre hätte der Streit andauern, Stoff für mehrbändige Aktennotizen liefern können, hätten höhere Mächte ihn nicht kürzlich diese wundersame Wendung nehmen lassen: Der Verkehrsausschuß Eimsbüttel beschloß jetzt, den geplanten „Radweg Offakamp“ zu kippen. Die hierfür im Haushalt veranschlagten Mittel – satte 200.000 Mark – werden als Zuschüsse für Radhäuschen umgewidmet. „Schon im nächsten Jahr bekommt Herr Fellenz sein Häuschen“, entnimmt Einfeldt seiner gerechten Liste.