Short stories from America
: Vogel, Flugzeug, Superman

■ Der Streit um Hillary und der um das Holocaust-Mahnmal haben eine gemeinsame Erkennungsmelodie

Früher kannte und plärrte jedes Kind in den USA diesen Singsang. Es war die Erkennungsmelodie der TV-Show Superman, die alle echten amerikanischen Kinder voller Inbrunst verfolgten. Sogar Mädchen. Superman kämpfte für „Wahrheit, Gerechtigkeit und amerikanische Art“, und jeder verstand, daß er also gegen die Kommunisten war. Jedenfalls verstanden es alle Erwachsenen.

Als ich klein war, gefiel mir die TV-Show Himmelskönig besser. Die handelte auch vom Herumfliegen und dem Kampf gegen das Böse, aber hier flog ein kleines Mädchen namens Penny einmal in der Woche mit dem Flugzeug ihres Vaters los und rettete die Unschuld aus Gefahren. Sie war ziemlich simpel gestrickt, aber als Heldin mußte sie ausreichen bis Morticia Addams kam, und dann Emma Peel aus „Schirm, Charme und Melone“, gespielt von der immer großartigen Diana Rigg. Himmelskönig hatte weniger Einschaltquoten als Superman. Das Land war noch nicht bereit für ein Mädchen mit Schmackes.

An die Eröffnungsmelodie „Es ist ein Vogel...“ und an Penny wurde ich vor kurzem wieder erinnert wegen des Gezerres um das Berliner Holocaust-Denkmal. Es ist eine Scheibe, nein, ein Würfel, nein, ein Bus – irgendwie so läuft der Streit, wenn ich das richtig verstehe. Die neueste Entwicklung dieser Diskussion schaffte es auf die fünfte Seite der New York Times, neben Berichten über Rassenunruhen äthiopischer Juden in Israel und die nächste Präsidentschaftswahl in zehn Monaten. Seite fünf zählt. Die Berliner Denkmal-Geschichte beunruhigte mich, vor allem die Art, wie sie mich an Superman erinnerte. Dieses „Es ist ein Vogel – nein, ein Flugzeug...“ wird in Amerika nämlich zitiert, wenn nur triviale Möglichkeiten zur Wahl stehen. Aber es sieht den Deutschen doch gar nicht ähnlich, Zeit mit Trivialitäten zu vergeuden: Es ist ein Vogel – nein, ein Flugzeug... Die Wannsee-Konferenz, bei der die Endlösung besprochen wurde, dauerte 92 Minuten.

Schlechtes Zeichen

Es ist kein gutes Zeichen für die deutsche „Produktivität“, daß die Diskussion um das Denkmal für die Endlösung soviel länger dauert. Auch die Diskussion um die Erneuerung der Berliner Mitte – diese Wüste, wo die Mauer stand, T.S. Eliot würde sie lieben – dauert jetzt schon reichlich lange. Die Stadtväter scheinen in ihrer Detailversessenheit Amok zu laufen. Sie sollten sich mal an Amerika ein Beispiel nehmen, denn wir wissen, wie man zu einem Ende kommt.

Zum Beispiel bei Hillary. Die Whitewater-Untersuchung dauert jetzt schon so lange wie Clintons Amtszeit, aber jetzt sind wir endlich beim springenden Punkt. Hillary hatte eine Akte mit Rechnungskopien aus ihrer alten Anwaltsfirma nicht finden können. Dann fand sie sie und gab sie an die Untersuchungsbehörden weiter. Die Geschichte stand in jeder Zeitung des Landes auf der Titelseite: Brauchte es noch weitere Beweise für ihre Schuld? Nach Wochen voller Artikel über Stürme und Verkehrsstaus und Hunde, die in ihren Hütten eingeschneit waren, und über den Budgetstreit zwischen Demokraten und Republikanern (im Grunde auch nur eine Hundehüttengeschichte) konnten die Fernsehreporter jetzt endlich mal wieder die Zähne in eine richtige Geschichte schlagen. Dieses Land weiß Bescheid, wo der Hammer hängt. Senator Al D'Amato, Republikaner aus dem Staat New York, schrie sogleich nach einer Extraanhörung über die Verzögerung. (Übrigens: Machen Sie sich nichts draus, wenn Sie sich nicht mehr erinnern können, was man Hillary eigentlich vorwirft: Die meisten Amerikaner können das ebensowenig wie ich. Das sind so die Details, mit denen wir uns nicht belasten.)

Seitdem sind eine ganze Reihe von Artikeln erschienen, die darauf hinwiesen, daß Bush während der Iran-Contra-Anhörungen ein entscheidendes Tagebuch nicht finden konnte. Sechs Jahre lang blieb es unauffindbar. Als er es endlich gefunden hatte, saß sein Anwalt auch noch mal zwei Monate drauf, und erst als Bush die Wahl von 1992 verloren hatte, wurde das Tagebuch den Untersuchungsbehörden übergeben.

Hillary übergab die Akte am Tag, nachdem sie gefunden worden war. Bushs Anwalt verweigerte eine Zeugenaussage über den Grund der Verzögerung, ebenso wie Bush selbst auch. Hillary hat bisher noch keine Aussage verweigert; bisher hat sie vor dem Untersuchungsausschuß viermal ausgesagt. D'Amato hat übrigens nie eine besondere Untersuchung über den Grund von Bushs Verzögerung verlangt.

Ein paar Artikel sind erschienen, die auf diese Fakten verweisen. Aber sie wurden von Anwälten geschrieben oder Juraprofessoren oder von dem ehemaligen Geschäftsführer des Kongreß-Wirtschaftsausschusses, und solchen Leuten kann man nicht trauen. Solche Artikel erschienen auch von Reportern, die Clinton sonst durchaus kritisch gegenüberstehen, darunter auch von einem, der Clintons Finanzen während seiner Amtszeit als Gouverneur von Arkansas unter die Lupe nahm. Aber denen kann man nicht trauen.

Der springende Punkt – oder der Hammer – ist Hillary. Wird sie erledigt, dann sind alle Regierungsprobleme gelöst. Das ist die Art klaren Denkens, die Berlin für seine Probleme braucht. Auch deshalb habe ich in letzter Zeit an Superman gedacht. Genauer gesagt: an Penny. Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning