■ Vergewaltigung als Apothekeneinbruch?!
: Der Mann im Jahr 2050

Im späten Frühjahr war's, da lächelte uns ein vollbärtiger, holzfällermäßig gekleideter Mann aus einer dieser unvermeidlichen Anzeigen des 2001-Buchversandes an: „Mythos Männermacht“ so heißen Buch und Mission des Warren Farrell.

Das Fünftausend-Seiten-Werk des Männerbewegten kann als Gegenentwurf zu Susan Faludis Bestseller „Backlash“ gelten. Farrell hat eine Anti-Emanzipationsbibel geschrieben. Er behauptet, daß er keineswegs „eine Rückkehr zum Mann der fünfziger Jahre“ wolle, sondern „einen Sprung nach vorn, zum Mann des Jahres 2050“. Doch was er schreibt, klingt wie „zurück in die Zukunft“: der Mann als ewiges Opfer. Männer sterben früher als Frauen, werden in Kriegen geopfert, begehen öfter Selbstmord. Sie werden vor Gericht nicht so oft freigesprochen, sie werden ungefragt beschnitten, und wenn sie ihren Job verlieren, dann ist das „mit dem gleichzusetzen, was eine Vergewaltigung für eine Frau bedeutet“.

Sich selbst sieht der US-Amerikaner als „Pionier“, der die „Political correctness überwunden hat“. Der Feminismus sei zum „Anti- Männer-Sexismus“ mutiert, strebe einen „Sonderstatus“ der Frau an – einer Frau, die immer noch „Vater Staat als Ersatzehemann“ bedürfe. Im soften Jargon fordert Warren Farrell die Männer auf, endlich „ihre innere Welt zu erforschen“. Das klingt recht hübsch, bemäntelt allerdings nur Farrells eigene Wende vom Feministen zum militanten Männerrechtler: „Ich will mit dem Vorurteil aufräumen, das Männer und Frauen mehr als alles andere trennt – der Glaube, daß die Männer im Besitz der Macht seien.“

Männer sind durchtriebenen Frauen hilflos ausgeliefert. Sie darf ihm ungestraft einen Fussel von der Hose picken und mit dieser erotischen Attacke ihre Karriere fördern. Er steht ruckzuck wegen sexueller Belästigung vor Gericht, wenn er nur einen schmutzigen Witz erzählt. Und Vergewaltigung hat natürlich laut Farrell nichts mit der Demonstration ökonomischer und politischer Macht zu tun, sondern mit „Machtlosigkeit“. Begründung: Die „machtlosen“ schwarzen US-Bürger haben ein dreimal größeres Risiko, wegen Vergewaltigung angezeigt zu werden als weiße Männer. Und Vergewaltigung sei keineswegs nur ein Akt der Gewalt, sondern hänge auch von der „sexuellen Attraktivität“ ab, so Farrell. „Im Alter der größten sexuellen Attraktivität ist die Wahrscheinlichkeit, vergewaltigt zu werden, 8.400 Prozent größer als ab dem fünfzigsten Lebensjahr.“ Die alte Stammtischlegende: Wenn Frau sich zu hübsch macht, hat sie selbst schuld. Und die Männer? Sie können nicht anders. Sie reagieren auf die „Verweigerung weiblicher Schönheit wie Suchtabhängige“. Vergewaltigung = Apothekeneinbruch?

Auf welchem intellektuellen Niveau sich dieser „Männerforscher“ bewegt, illustriert auch die folgende Passage. Warren Farrell fragt sich, warum die Zehntausende von Morden, die es jährlich in Kino und Fernsehn zu sehen gibt (und angeblich zu 97 Prozent Morde an Männern sind), nicht als „Gewalt gegen Männer“ bezeichnet werden.

Dann bedauert er noch, daß das feministische Lob für „Thelma und Louise“ niemals als Faschismus gegeißelt wurde und zitiert einen Werbespot für Coca-Cola. Darin will ein Mann im Wasser an eine Dose Coke gelangen und riskiert dabei, daß ihm eine Haifischflosse wie eine Kreissäge die Hoden abtrennt. Dazu Farrell: „Die Firma macht sich das Wissen darum zunutze, daß dem Leben eines Mannes weniger Wert beigemessen wird, als einer Flasche Coca- Cola!“ Es war eine Dose, du Flasche. Hans-Hermann Kotte