Short Stories from America
: Der mit dem Fisch krault

■ Kevin Costners Anti-Ölpest-Film „Waterworld“ hätte viel Öl sparen können

Kevin Costners neuer Film „Waterworld“ ist mit seinen 172 Millionen Dollar Produktionskosten der inzwischen teuerste Film der Kinogeschichte und wird bereits schon „Kevin's Gate“ genannt – in Erinnerung an „Heaven's Gate“, Michael Ciminos Kassenkatastrophe von 1980. „Waterworld“ gilt als der Botschafts-/Ereignisfilm dieses Sommers. Er zeigt eine Welt, in der die heutigen Landmassen längst wegen der abgeschmolzenen Polkappen überflutet wurden. Die überlebenden Menschen vegetieren auf kleinen Atollen auf dem Wasser treibenden Abfalls, den Resten früherer Zivilisationen; sie schmachten nach einem utopischen „Trockenland“ und müssen sich gegen Piraten verteidigen, die Smokers genannt werden. Costner ist der einsame Gute, der sich gegen die Smokers erhebt, ein kleines Mädchen rettet und schließlich Land findet, das sich als Japan erweist.

Botschaft Nr. 1: Nur schlechte Menschen rauchen. Allerdings ist der Oberschlechte Dennis Hopper, und der hat den besten Dialog. Also wer wäre man lieber? Ein ätzend scheußlicher Hopper oder Der-mit-dem-Fisch-krault? Botschaft Nr. 2: Sämtliche fremdenfeindlichen Instinkte sind wohl begründet: Japan wird letzten Endes überleben.

Genremäßig bedient sich der Film aus Abfällen von „Batman“ und „High Noon“. Das Atoll, auf dem Costner auftaucht, ist ein Dodge City auf Wellen, komplett mit Sheriff, Kramladen, whiskeytrinkenden Kneipenschlägern und einer Schönen Frau, die den lokalen Sprit austeilt. Nach jeder Menge Seilrollen-Akrobatik fällt Costner in den Wilden Westen zurück, durchquert den Mittelgang von Hoppers Schiff und sagt, Beine gespreizt, Hände zu Klauen gekrümmt: „Ich will das Mädchen.“ Botschaft Nr. 3: Noch mal „High Noon“ anschauen.

Immerhin sprudeln denn doch ein paar interessante Augenblicke an die Oberfläche. Zunächst einmal erweist sich Hoppers Schiff als die Exxon Valdez, jener Tanker, der Alaskas Küste eine der schlimmsten Ölpesten überhaupt bescherte. Botschaft Nr. 4: Nur schlechte Menschen verschütten Öl. Dann teilt Hopper in einer visionären Predigt derbe Seitenhiebe an die Fernsehevangelisten aus. Und schließlich wird Costner ganz unerwartet wütend auf die Schöne Frau, wirft sie um und zieht ihr das Messer durch die Haare. Dieser Augenblick steckt voll Gewalt und latenter Sexualität – wie damals, als Costner in „Bull Durham“ Susan Sarandon an den Bettpfosten fesselte und ihr die Zehennägel lackierte. Botschaft Nr. 5: Noch mal „Bull Durham“ anschauen.

Von all den Botschaften bleibt jedoch nur eine hängen: Menschen sind blöd. Nach Jahrhunderten aquatischen Lebens haben sie sich immer noch nicht angepaßt und bringen nichts zustande, sondern bleiben auf all den Abfall angewiesen, der weiß Gott woher über das Meer treibt. Unterm Strich heißt das nicht mehr und nicht weniger, als daß „Waterworld“ 172 Millionen Dollar Rost wert ist.

Ich habe über diesen Rost nachgedacht, während ich die Kongreßdebatten über Bosnien verfolgte. Amerika unterstützte ja das Waffenembargo gegen Bosnien um die Eskalation der Gewalt aufzuhalten. Dann wollte der Kongreß das Waffenembargo aufheben, weil die Serben ohnehin alle benötigten Waffen von der ehemaligen jugoslawischen Armee bezogen und die Gewalt damit sehr schön zum Eskalieren brachten. Aber weil die Aufhebung des Waffenembargos weitere Gewalt nach sich ziehen wird, will der Kongreß das Waffenembargo beibehalten, bis die UN-Streitkräfte sicher aus Bosnien abgezogen sind. Also hat der Senat beschlossen, das Waffenembargo aufzuheben, aber der Präsident darf es zum Schutz der UN-Truppen auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten, wenn auch vermutlich nicht zum Schutz der bosnischen Muslime.

Diese Entscheidung verstehe ich nicht so ganz. Sehr gut verstehe ich aber, daß sich die bosnischen Muslime fragen könnten, wie viele – meinetwegen auch rostige Waffen – sie für 172 Millionen Dollar kaufen könnten. Während der öderen Passagen von „Waterworld“ hatte ich Zeit für längere Rechenkunststücke, und ich stellte mir andere Verwendungsmöglichkeiten für den Etat von „Waterworld“ vor. Zum Beispiel hat der Kongreß in derselben Woche, in der er die Aufhebung des Waffenembargos beschloß, auch die Richtwerte für die Ölindustrie gesenkt, mit denen eine Ölpest verhindert werden soll – weil sie die Industrie 95 jährlich Millionen Dollar kosten. Hätte Costner also seinem Hang zu einem Anti-Ölpest-Film ein bißchen entschiedener widerstanden, hätte das Geld für zwei Jahre Aufrechterhaltung der Anti-Ölpest-Normen gereicht.

Außerdem: Wie viele Zelluloidkopien des Films und wie viele Videos – beides Rohöl-Produkte – müssen weltweit zirkulieren, bis 172 Millionen Dollar Investitionen reingeholt sind? Wäre Costner seinem Hang zu einem Anti-Ölpest-Film nicht gar so willenlos erlegen, wären vielleicht gar nicht so viele nötig. Aber dann würde uns die Szene fehlen, wie das Messer durch das Haar der Schönen Frau gezogen wird, und dazu noch Hoppers gemeines Grinsen. Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning