■ Gegen den spanischen Ministerpräsidenten wird ermittelt
: Den ganzen Sumpf trockenlegen

Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat den Fall der staatlichen Antiterroreinheit GAL an sich genommen. Felipe González wird somit zum ersten Regierungschef der jungen spanischen Demokratie, gegen den direkt ermittelt wird. Ein Vorgang, der auch im europäischen Maßstab – wenn man Italien einmal beiseite läßt – mehr als ungewöhnlich ist.

Das sei noch kein Indiz für die Schuld von Felipe González und seine Ex- Minister, ließ einer der drei Richter Fernando Cotta wissen – ganz im Sinne des juristischen Grundsatzes in dubio pro reo. Das ist sicherlich richtig. Doch von der Unschuld der Regierung sprechen, das will außer ein paar eingeschworenen Sozialisten niemand mehr. Ob Felipe González letztendlich dann auch verurteilt werden kann, ist mehr als unwahrscheinlich. Die Regierung wird im Antiterrorismuskrieg wohl kaum Dokumente und damit strafrechtlich relevante Beweise hinterlassen haben. Und die Beschuldigungen von Mitangeklagten reichen nicht aus. Egal wie das Verfahren ausgeht, die politische Verantwortung für die GAL nimmt González niemand mehr.

Doch ganz allein hat er diese nicht zu tragen. Wer sich an die Jahre des schmutzigen Krieges gegen die ETA-Terroristen zurückerinnert, dem werden keine ernsthaften Proteste der Opposition – ob von links oder rechts – gegen den González-Kurs einfallen. Stillschweigend war sich ein ganzes Land einig, die Separatisten der ETA um jeden Preis zu bekämpfen. Wer als Anwalt der GAL-Opfer auftrat, wurde als Terroristenfreund beschimpft. Die Basken und deren Parteien wurden in ihrer Verzweiflung allein gelassen.

Heute wäscht die Opposition ihre Hände in Unschuld. Mit moralischer Empörung lenkt man von der eigenen Mitverantwortung ab. Alles ist da recht, um nur ja die Wahlen zu gewinnen. Wie verlogen das ist, zeigt das Schweigen der Partido Popular von José Maria Aznar, wenn es um die Leichen im Schrank der Guardia Civil – neben Kirche und Armee eine der gesellschaftlichen Hauptstützen im Weltbild der spanischen Rechten – geht. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens gegen González und dessen Ex-Minister – vor den Richtern liegt noch eine Menge Arbeit. Täglich neue Skandalmeldungen zeigen, wie tief der Sumpf aus Korruption und Folter im Sicherheitsapparat ist. Mit einer zukünftigen Rechtsregierung werden die Richter da ebenso viele Probleme haben wie mit den Sozialisten. Rainer Wandler, Madrid