Short Stories from America
: Fruchtbare Umschichtungen

■ Schwarze Fürsorgeempfängerinnen könnten von Hugh Grant profitieren

Wie alle amerikanischen Filmkritiker war ich im letzten Monat ja vor allem damit beschäftigt, mich über den Disney- Zeichentrickfilm „Pocahontas“ aufzuregen, als sich die Krise in Amerika plötzlich auf Hugh Grant verlagerte.

Der charmante Star von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ war bekanntlich in L.A. mit einer schwarzen Prostituierten erwischt worden. Wie konnte der herrliche Hugh nur so etwas tun? Ich zumindest dachte ja, die Antwort sei zwischen all diesen Hochzeiten und Begräbnissen zu suchen. Volle zwei Stunden mußte Grant hinter Andie MacDowell herkeuchen, die weit mehr Haare hat als Hirn, und Kristin Scott Thomas mies behandeln, obwohl sie doch unter all den heutigen Filmgrößen Greta Garbo am nächsten kommt. Er ist also ein Flegel, obendrein auch noch mit schlechtem Geschmack. Deshalb konnte es mich nicht überraschen, daß er so etwas tat.

Bedenklich fand ich allerdings die Verwirrung, die Prostitution in Amerikas Haushalten auslöste. Warum, fragten sich Millionen, muß Grant Sex kaufen, obwohl sich ihm doch Männer, Frauen und Wüstenmäuse bereitwillig an den Hals werfen? Keiner fand die Antwort: Er zahlt eben gern dafür.

Ich kam darauf, weil es im Film genauso ist. Grant spielt den britischen Kerl zu MacDowells amerikanischem Mädchen. Und die Briten lassen sich bekanntlich von zweierlei faszinieren: von ihren Kolonien und von Dienern. Die liefern ihnen nämlich ihre levi-straussschen Gegenstücke: Hingabe gegenüber Ordnung, Leidenschaft gegenüber Schicklichkeit, weiche Füllung gegenüber steifer Kruste. Grant nun tändelte einfach mit der dunklen Seite. Manche Briten lassen sich gern den Hintern versohlen; das erinnert sie an die Schulzeit. Andere zahlen für Sex: Das erinnert sie daran, daß sie es sich leisten können.

Bitte, verzeih mir

Zu meiner Enttäuschung kam in den US-Zeitungen niemand auf die Grant-Nutte-Levi-Strauss- Verbindung. Grant dagegen war sie klar. Er drängte sich in die Talkshows, um sich „beim amerikanischen Volk zu entschuldigen“. Außerdem sollte ja sein neuer Film starten, ein sehr ungünstiger Zeitpunkt, Zuschauer zu beleidigen. Und die Fernsehauftritte funktionierten. Als der Film herauskam, verkündeten die Zeitungen: „Zuschauer buhen Hugh nicht aus.“ Das nenne ich eine Nachricht.

Der neue Film „Neun Monate“ wurde von Chris Columbus gedreht, dem literarischen Urheber von „Mrs. Doubtfire“. Die Schauspieler, darunter Grant, Julianne Moore, Robin Williams, Jon Cusak und Don Arnold, müssen sich gewaltig strecken, um so dünn zu werden wie ihre Rollen. Gott sei Dank scheitern sie damit manchmal. Wer also einen Film über Schwangerschaft sehen will, sollte sich lieber das Video von der Schwangerschaftsgymnastik seiner Schwägerin anschauen. Dennoch hatte das amerikanische Publikum gute Gründe, Hughs Film nicht auszubuhen: Er brauchte nämlich keine Subventionen von der Nationalen Kunststiftung (NEA).

Die NEA ist mit 0,02 Prozent des nationalen Etats nach den Fürsorgemüttern nämlich die zweitgrößte Gefahr für die amerikanische Wirtschaft. Vorletzte Woche einigten sich die Republikaner im Repräsentantenhaus, die Behörde 1997 aufzulösen – genau wie die Nationale Stiftung für Geisteswissenschaften; schon jetzt soll die Finanzierung von Americorps (dem nationalen Programm, in dem junge Menschen soziale Dienste leisten) eingestellt werden, und die Behörde, die die Liste der gefährdeten Arten erstellt, wird aufgelöst.

Mütter zu Huren

Manche Beobachter fragten sich, wie der Kongreß die Auflösung der NEA rechtfertigen wollte, wo doch die Künste bei einer Investition von einigen hunderttausend Dollar jedes Jahr zehn Milliarden Dollar einspielen und allein in New York 107.000 Arbeitsplätze bringen. Und wie der Kongreß die Auflösung von NEA, NEH und Americorps zum gleichen Zeitpunkt rechtfertigen konnte, an dem er dem Militär acht Milliarden Dollar mehr zugestand, als das Pentagon gefordert hatte. Für 1997 genehmigte der Kongreß sogar 14 Milliarden mehr als gefordert. Diese zusätzlichen unerbetenen Gelder werden in das Weltraum-Verteidigungssystem (Star Wars) gehen, für das ohnehin schon 35 Milliarden Dollar ausgegeben wurden, ohne daß etwas dabei herausgekommen wäre; sie sollen außerdem weitere „für Radar unsichtbare“ B-2-Stealth-Bomber finanzieren, die das Pentagon auch nicht will, sowie ein zusätzliches U-Boot und ein amphibisches Landungsschiff vom Typ LHD-7, das die Marine nicht angefordert hat.

Ich bin sicher, daß der Kongreß recht hat, wenn er die NEA aus der Welt schafft. Der größte Teil der Öffentlichkeit interessiert sich nämlich einen Dreck für Shakespeare im Park oder Watteau-Ausstellungen. Die meisten Steuerzahler lassen sich lieber mit Filmen wie „Neun Monate“ unterhalten (die nicht auf Subventionen angewiesen sind) oder von Hughs Nutte (bei der das vielleicht anders ist).

Meine Lösung lautet: Nehmt doch das Geld von NEA und Pentagon und gebt es schwarzen Fürsorgeempfängerinnen, damit sie Prostituierte werden können. Das wäre nicht nur äußerst unterhaltsam für die Amerikaner, sondern auch eine Waffe gegen die größte Gefährdung Amerikas: die Kosten der Fürsorge. So würden die Mütter aus der Arbeitslosigkeit befreit, und man verschaffte ihnen einen traditionsreichen und marktsicheren Beruf. Und die Republikaner müßten sich nie mehr sorgen, daß ihre Unterstützung für dieses Programm fruchtlos bleibt. Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning