Neue Pressebarone auf dem Vormarsch

Die Eigentumsverhältnisse in der südafrikanischen Presse sind schnellen Veränderungen unterworfen. Alternative Medien verschwinden, ausländische Pressemagnaten treten auf den Plan, und es bilden sich neue Monopole  ■ Von Guy Berger

Die alte, von Weißen beherrschte Presselandschaft wurde gewöhnlich wegen des Einflusses der Eigentümer auf die journalistischen Inhalte kritisiert, und weil sie ein monopolistisches Mediensystem war, das die schwarzen Südafrikaner als Eigentümer, Journalisten und Leser an den Rand drängte. Die Ausnahme bildete die alternative Presse mit ihren eigenen besonderen Eigentumsverhältnissen und journalistischen Formen. Derzeit gibt es jedoch unvorhergesehene Entwicklungen in einer Medienlandschaft, in der es noch vor zwei Jahren so aussah, als würde sich niemals etwas ändern.

Nicht nur hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse hat sich überall im Pressewesen, auch auf dem Alternativsektor, viel getan. Besonders bemerkenswert war der allgemeine Niedergang dieses einstmals sehr lebendigen Bereichs seit der Aufhebung des ANC-Verbots 1990. Damals begann die etablierte weiße Presse, auf Themenfelder der „alternativen Presse“ vorzudringen: schwarze Politik, Menschenrechtsverletzungen, selbst investigativer Journalismus. Die Alternativen hatten immer nur winzige Auflagen gehabt, aber ihr Einfluß und ihre Nähe zu den südafrikanischen Massen hatten bei ihnen den Glauben genährt, unter der neuen Ordnung sei ihnen eine Führungsrolle sicher. Die Jahre des Notstands hatten sie überstanden, aber nach der Befreiung unterlagen sie den kommerziellen Realitäten des verdrehten südafrikanischen Marktes.

Die Demokratie hatte weder Auswirkungen auf die kostspieligen Druck- und Vertriebssysteme der etablierten Presse noch auf die Bedürfnisse der Anzeigenkunden, die sich nur für die Zahl der Leser pro ausgegebenem Rand interessieren. Ohne die Krücke ausländischer Finanzhilfe (die im Zuge der südafrikanischen „Normalisierung“ allmählich eingestellt wurde) war das ein ungleicher Wettbewerb, und die Alternativen fielen der etablierten Presse ohne Gegenwehr zum Opfer. Es gab einen kurzen Hoffnungsschimmer, als die alten Eigentümer 1993 die Gründung des Independent Media Diversity Trust (Stiftung Unabhängige Medienvielfalt) beschlossen, woraus sich für die Alternativen eine neue Finanzierungsquelle zu eröffnen schien. Diese Großzügigkeit verdankte sich zum Teil dem politischen Druck des ANC, zum Teil dem Drängen des Internationalen Verbands der Zeitungsverleger. Zulassungsvoraussetzung für die etablierte Presse in diesen Verband war die Vereinheitlichung der Druckbranche in Südafrika. Die alternativen Wochenzeitungen stimmten zu, sich mit der etablierten Presse in der Newspaper Press Union zu vereinen, sofern diese Mittel für die Stiftung Unabhängige Medienvielfalt bereitstellte.

Aber zwei Jahre später, in deren Verlauf der Druck des ANC auf die Presse-Eigentümer im Laufe der Veränderungen dahingeschwunden ist, sind die Spenden an die Stiftung so gut wie versiegt – die ohnehin niemals wirklich über genügend Mittel oder Managementwissen verfügte, um die alternative Presse oder den Schwarm kleinerer Gemeindeblätter, die in den neunziger Jahren gegründet worden waren, retten zu können. Bis April 1995 waren in Südafrika zahlreiche Alternativblätter verschwunden, darunter das Magazin New Era. Auch Grassroots, Work in Progress, New African, Vrye Weekblad, South, Speak, Learn and Teach, Eagle, Saamstan und Namakwa Nuus hatten ihr Erscheinen eingestellt. Die Weekly Mail überlebt dank einer Partnerschaft mit dem britischen Guardian, und New Nation wurde von der etablierten Presse aufgekauft.

Aber auch die ist in Bewegung geraten, Veränderungen der Eigentumsverhältnisse begannen bereits 1992. Damals plante der ANC die Gründung einer eigenen Tageszeitung und schien entschlossen, gesetzliche Maßnahmen gegen die Pressekonzentration vorzubereiten. Eine Mediencharta des ANC aus diesem Jahr forderte die „gerechte Neuverteilung“ der Medienressourcen und bekräftigte die Notwendigkeit, „breit gestreute Besitzverhältnisse an medialen Produktions- und Vertriebsinstitutionen zu gewährleisten“.

Diese Entwicklungen bewogen die Anglo American Corporation – über die Johannesburg Consolidated Investments (JCI) der eigentliche Eigentümer der weißen englischsprachigen Presse – zu der strategischen Entscheidung, sich einer Beteiligung zu entledigen, die „ihrem eigentlichen Geschäft am weitesten fernlag, aber den meisten Ärger verursachte“. Dieser Schachzug kam dem zögernden Streben des ANC nach einer eigenen Zeitung wirksam zuvor und entschärfte die Kritik an der Medienkonzentration insgesamt. Der Medienkonzern Argus wurde 1994 zum Verkauf angeboten, und der irische Zeitungsmagnat Tony O'Reilly, ein angeblicher Freund Nelson Mandelas, übernahm ihn zu einem Preis, den ein Magazin als „lächerlich niedrig“ bezeichnete. Der Abschluß verschaffte ihm The Star, Daily News, Pretoria News, Diamond Field Advertiser, Sunday Tribune, die Newspaper Printing Company (bei der die Zeitungen von Argus und Times Media Limited/TML in Johannsburg gedruckt werden) sowie Allied Publishing (Vertriebsfirma für Argus- und TML-Zeitungen im ganzen Land).

Das war neu, denn bisher konnte keine Zeitung wirklich einem einzelnen Eigentümer zugeordnet werden – nicht einmal Harry Openheimer, obwohl sein Name praktisch ein Synonym für die Anglo American war. Der Abschluß brach das Druckimperium der Anglo American auf und beließ ihr nur noch TML, zum größten Teil im Eigentum einer konsolidierten Argus-Holding mit dem neuen Namen Omnimedia. Dazu gehören die Titel Sunday Times, Business Day und Financial Mail. In Port Elizabeth behielt die Anglo American das Monopol an den englischsprachigen Tageszeitungen mit dem Eastern Province Herald und der Evening Post. Die anderen TML-Titel wurden bald von O'Reilly aufgekauft. In Kapstadt (wo er bereits den Argus besaß) erwarb er die Cape Times und in Durban den Natal Mercury (zusaätzlich zur Daily News). Argus kaufte außerdem den 45prozentigen TML-Anteil an den Pretoria News, der O'Reilly zusammen mit dem Diamond Field Advertiser ein Monopol auf die englischsprachigen Tageszeitungen in vier Städten verschaffte. Heute besitzt O'Reilly 50 Prozent des gesamten Marktes und 72 Prozent der englischsprachigen Zeitungen.

Der TML-Kauf war in Kapstadt umstritten – ein Konsortium einheimischer schwarzer Geschäftsleute rief das Kartellamt an, um den Verkauf zu verhindern, damit sie selbst ein Angebot abgeben konnten. O'Reilly wurde gedrängt, die Cape Times nicht zu kaufen, und TML aufgefordert, einen Verkauf an das Konsortium zu erwägen. Das Geschäft wurde doch mit der Vereinbarung abgeschlossen, unabhängige und firmenfremde Mitglieder in den regionalen Verwaltungsrat zu berufen. Der neue Argus-Eigentümer legte allen Argus-Zeitungen eine nationale Wirtschaftsbeilage bei, außer dem Sowetan, der sich nur zum Teil in seinem Besitz befindet. Geschäftsleute, die bereits mit dem Business Day von TML und drei wöchentlichen Fachzeitschriften bedient werden, werden nun zusätzlich mit Auswahlmöglichkeiten verwöhnt.

Dank Tony O'Reilly erlebten Südafrikas Medien einen Zufluß an ausländischem Kapital und eine Belebung der Konkurrenz. Die neue Rivalität zwischen Argus und anderen Konkurrenten hat sich jedoch – vermutlich aus finanziellen Gründen – noch nicht auf die Leistungen für die unteren Schichten des Medienmarktes ausgewirkt, denen die meisten südafrikanischen Leser angehören. Schwarze Südafrikaner zogen aus dieser Entwicklung zwar nicht als Leser oder Eigentümer Vorteil, aber doch hinsichtlich inhaltlicher Veränderungen. O'Reilly hat ein Unterstützungsprogramm für Journalisten gestartet und den ersten schwarzen Chefredakteur einer weißen Zeitung ernannt: Moegsien Williams, ehemals Chefredakteur von South, der jetzt die Pretoria News leitet.

Der Argus-Aufkauf löste Befürchtungen aus, daß trotz O'Reillys Zusicherungen journalistischer Unabhängigkeit seine Zeitungen in Zukunft nicht einem Direktorengremium, sondern einem eigenwilligen Individuum verantwortlich sein würden, der mit dem Staatspräsidenten befreundet ist. Bisher war von politischen Eingriffen noch nichts zu spüren. Aber unter der neuen Herrschaft besteht mit Sicherheit ein kommerzieller Einfluß auf den Journalismus. Alle Argus-Chefredakteure sind jetzt einem regionalen Manager verantwortlich, der auf die geschäftliche Entwicklung achtet. Das wurde deutlich, als der angesehene Chefredakteur des Star, Richard Steyn, Anfang 1995 aus grundsätzlichen Erwägungen zurücktrat. Die wachsende Kommerzialisierung der Presse ist ein drohendes Gespenst in Südafrika.

Besorgnis angesichts der Medienbarone und ihrer möglichen Einmischung in die journalistische Arbeit äußerte sich nicht erst mit Tony O'Reillys Auftauchen auf dem Medienmarkt. Sie zeigte sich bereits, als der schwarze Unternehmer und ANC-Anhänger Dr. Nthatho Motlana einen Mehrheitsanteil an dem pro-Azapo/ PAC Sowetan erwarb, der bis dahin Argus gehörte. „Wir wurden von einem doppelten Hammer getroffen – erst an Tony O'Reilly verkauft und dann an Dr. Motlana“, meinte dazu der Chefredakteur von Sowetan, Aggrey Klaaste.

Der Sowetan-Abschluß stellt einen weiteren neuen Faktor im Muster der Eigentumsverhältnisse in der südafrikanischen Presse dar. Mittels seines Konzerns, der an der Johannesburger Börse notiert wird, hat sich Motlana nun daran gemacht, ein schwarzes Medienimperium für Südafrika aufzubauen: Er hat eine erfolgreiche Abmachung mit der alternativen Zeitung New Nation getroffen, die lange Zeit bei TML Rettung gesucht hatte. Mit dem Ergebnis, daß heute schwarze Südafrikaner Südafrikas größte Tageszeitung sowie eine einflußreiche Wochenzeitung besitzen, wenn auch wirtschaftlich nicht völlig unabhängig; das Personal besteht fast durchgehend aus schwarzen Südafrikanern, die auch die Zielgruppe bilden.

Bisher haben sich die Ängste vor politischen Eingriffen nicht bestätigt: Wie O'Reilly hat wohl auch Motlana zuviel mit seinen Geschäften zu tun, als daß er sich um die journalistische Seite kümmern könnte. Er besitzt Anteile an Telefonfirmen, bewirbt sich zusammen mit zwei US-Telefonfirmen um einen staatlichen Telekommunikations-Auftrag in Höhe von sechs Milliarden Rand und scheint ganz allgemein auf eine größere Nische in der Kommunikationsindustrie zuzusteuern. Andere schwarze Wirtschaftsgruppen ziehen nach. Das schwarze Wirtschaftsmagazin Enterprise unter Leitung des ehemaligen Sowetan-Mitarbeiters Thami Mazwai verhandelt mit schwedischen Verlegern über die Herausgabe einer nationalen Wirschaftszeitung für Schwarze. Real Africa Investments unter Don Neube, ebenfalls an der Johannesburger Börse notiert, sollen an TML interessiert sein.

Auch in den Verleger-Organisationen kam es zu Veränderungen. Die Newspaper Press Union hat sich mit der Provincial Press Association und der Magazine Publishers Association zur Print Media Association zusammengeschlossen. Die Gruppierung, die früher eher einem verschlafenen Klub alter Freunde ähnelte, dürfte sich ändern, wenn Motlana und die neue Schar schwarzer Eigentümer weiter an Einfluß gewinnen. Während der rassische Aspekt des Eigentums an Bedeutung verliert, zeigen sich neue Konfliktpunkte: die Stärkung ausländischen Eigentums, Verflechtungen und journalistische Unabhängigkeit.

Tony O'Reilly wird auf dem südafrikanischen Markt vermutlich nicht der einzige Ausländer bleiben. Es gab Gerüchte, Conrad Black sei an TML interessiert. Da Südafrika Mitte dieses Jahres Satellitenfernsehen bekommt, könnten hier die Rupert Murdochs nach Druck-TV-Synergien schnüffeln. Bisher wird über die Implikationen noch nicht allzuviel nachgedacht. Da die Frequenzen neu verteilt werden, um kommerzielles und kommunales Radio und Fernsehen zuzulassen, führt die Independent Broadcast Authority (IBA) auch eine größere Untersuchung über Eigentumsverflechtungen durch, um zu dieser Frage eine Strategie zu entwickeln. Die Print Media Association ist gegen Restriktionen; ihre Mitglieder in der Provinz haben für den Fall eventueller Einschränkungen allerdings bereits Ausnahmeregelungen beantragt. Im Interesse weiterer Investitionen und des Medienwachstums wird sich die IBA wohl kaum gegen Eigentumsverflechtungen zwischen Druckmedien und TV aussprechen, wenn sie auch einige Bedingungen stellen dürfte.

Inzwischen ist der Argus-Konzern mit einer Firma verbunden, die Nachrichtensendungen für neue TV-Anstalten anbietet, ebenso wie die in Kooperativbesitz befindliche nationale Nachrichtenagentur Sapa. Es ist noch ungewiß, ob Beschränkungen der Eigentumsverflechtung, sollten sie verabschiedet werden, auch für solche Anbieter gelten, die Printmedien (im Gegensatz zu TV-Sendern) besitzen. Sowohl TML als auch Argus sind mit elektronischen Online-Informationsdiensten verbunden. Inzwischen hat sich M-Net/ Multichoice – ein TV-Anbieter von verschlüsselten Sendungen für Abonnenten, der von ehemaligen Verlegern der etablierten Presse betrieben wird – seinerseits in die Handy-Branche ausgedehnt und seine bisherigen Zeitungsaktionäre mit Motlana als auch mit Neube in der Firma Mobile Telephone Networks (MTN) zusammengebracht. Zusammen mit Richemont aus der Schweiz hat M-Net/Multichoice PayCo gegründet, mit geschätzten 1,35 Millionen Abonnenten in Afrika, Italien und den Beneluxländern. Die Gruppe zielt nun darauf ab, die bevorstehenden Satellitenübertragungen nach Südafrika zu nutzen, um den Inhabern ihrer Decoder eine Reihe internationaler Fernsehdienste anzubieten.

Mit der zunehmenden Konkurrenz, Kommerzialisierung und Internationalisierung des Medieneigentums in Südafrika tritt die Frage nach der journalistischen Unabhängigkeit in den Vordergrund. Auf dem Printsektor symbolisierte dies auf dramatische Weise der Rücktritt von Richard Steyn. Besorgte Journalisten und Redakteure suchen noch immer nach Möglichkeiten, den Einfluß der Eigentümer zu begrenzen; die Verleger ihrerseits versuchen den Presserat aufzulösen, eine Körperschaft, auf deren Normen sich die Chefredakteure bei Streitigkeiten mit den Eigentümern berufen konnten. Das Thema dürfte also bald wieder zur Diskussion stehen.

Guy Berger ist Professor am Fachbereich für Journalismus und Medienforschung an der Rhodes University; er war Chefredakteur der Zeitung „South“ in Kapstadt