Nordrhein-Westfalen vor der allerletzten Runde

■ Verhandlungspoker um eine rot-grüne Koalition steht offenbar trotz Garzweiler II unmittelbar vor dem Abschluß / CDU buhlte bis zum Schluß um die SPD

Bonn/Düsseldorf (taz) – Hektisch, strengst vertraulich, mal vorsichtig optimistisch, mal zu Tode betrübt: Das Verhandlungspoker um Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen läßt in der Endphase keine dramaturgische Zuspitzung aus. Auch die ersten Tränen sind inzwischen geflossen. Im Zentrum des Ringens um die neue Koalition stand gestern erneut das Braunkohletagebauprojekt Garzweiler II. Während die SPD-Verhandlungsriege gestern nachmittag noch einmal in Gesprächen mit der Bergbaugewerkschaft IGBE, mit der ÖTV und dem DGB, die Möglichkeiten eines Kompromisses auszuloten versuchte, trafen sich die Grünen mit Vertretern von Bürgerinitiativen und Naturschutzverbänden.

In der Nacht zum Montag hatte die SPD erstmals die Bereitschaft signalisiert, sich ein wenig in Richtung Moratorium zu bewegen. Auch Joschka Fischer und der grüne Parteivorsitzende Jürgen Trittin waren an den Gesprächen zeitweise beteiligt. Tragfähige Formulierungen für einen möglichen Kompromiß lagen bei Redaktionsschluß jedoch noch nicht vor. Unüberwindbare Probleme, das verlautete aber aus beiden Delegationen, gebe es dabei nicht. Mit einer endgültigen Entscheidung sei am Abend zu rechnen.

In einem Schreiben an den SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Matthiesen, der sich auch gestern noch jeglichem Kompromiß zu entziehen suchte und deutlich auf Zeit spielte, forderten die NRW- Jusos die eigene Partei auf, sie müsse „jetzt Kompromißfähigkeit beweisen“. Es gehe ihnen darum, so die Juso-Botschaft an den Braunkohlelobbyisten Matthiesen, „daß wir die sozialdemokratische Identität nicht auf ein unnachgiebiges Festhalten in der problematischen Angelegenheit Garzweiler II reduziert sehen wollen“. Die Verhandlungen dürften „nicht an Garzweiler scheitern“.

Genau darauf hofft die nordrhein-westfälische CDU. Deren Generalsekretär Herbert Reul hatte Rau schon am Sonntag eine befristete Duldung einer Minderheitsregierung angeboten – als ersten Schritt auf dem Weg zu einer schwarz-roten Koalition. In das gleiche Horn blies gestern der CDU-Landesvorsitzende Norbert Blüm. Via WDR richtete er an die SPD einen „Appell in letzter Minute“, sich endlich „zur Vernunft und zur Verantwortung“ zu bekennen: „Rot-Grün bedeutet Arbeitslosigkeit, bedeutet, daß Garzweiler entweder aufgegeben, aufgeschoben oder ausgesetzt wird.“ Beschreite die SPD diesen Weg, so Blüm weiter, begehe sie einen „klassischen Wortbruch“. Um das zu verhindern, stehe die CDU „bereit, in die Verantwortung zu gehen“. Walter Jakobs