Warum tun wir uns so schwer?

Ein vertrauliches Papier der BMW-Umweltabteilung zeigt, wie sehr der Konzern die ökologische Kritik fürchtet / Falsche Umweltschützer entlarven!  ■ Von Felix Berth

Detlef Frank ist immer für ein ökologisch angehauchtes Statement gut. Der Diplomingenieur leitet die zwölfköpfige Umweltabteilung bei BMW. Fragt man den BMW-Manager zum Beispiel nach einer ökologischen Steuerreform, so antwortet er: „Eine Idee mit Charme.“

Fragt man ihn nach Risiken und Nebenwirkungen des Autoverkehrs, hat er immer einen konstruktiven Vorschlag parat: „Verkehrsmanagement“ heißt eines seiner Lieblingswörter, aber auch über die „Priorität des öffentlichen Verkehrs in den Innenstädten“ spricht Frank gerne. Kein Betonkopf aus den siebziger Jahren, so scheint es, und so soll es scheinen, sondern ein ökologischer Modernisierer in einem fortschrittlichen Automobilkonzern.

Nach außen ein Mann für grüne Ideen, ist Detlef Frank hinter den Kulissen eher der Mann für grobe Attacken. In einem neunzehnseitigen Papier, das er „nur zum internen Gebrauch“ bei BMW verfaßt hat und das der taz vorliegt, artikuliert er seine Ansichten über „die Autokritiker“, wie er sein Manuskript überschrieben hat. Darin versucht Frank, „ihre Argumente, ihre Methoden, ihre Motive“ zu analysieren – und gewährt damit unfreiwillig einen Blick auf die Verunsicherung, die bei BMW inzwischen herrscht.

„Warum tun wir uns so schwer, der Autokritik zu begegnen?“ grübelt Detlef Frank zum Auftakt seines Werkes und antwortet sich selbst: „Es stimmt, daß das Auto und der Straßenverkehr [...] negative Auswirkungen auf ihre Umgebung haben.“

Doch er fragt nicht weiter, wie diese abstrakten „negativen Auswirkungen“ – Tote, Verletzte, unbewohnbare Straßen und verpestete Städte – verringert werden könnten. Er hält dagegen, das Auto habe ja auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen, der nur leider nicht exakt zu berechnen sei. Und außerdem sei Kritik am Auto ohnehin oft nur eine Folge von „Sozialneid“.

Die Autokritiker sind einfach zu gut gebildet

Und schließlich habe es BMW mit gut arbeitenden Widersachern zu tun: „Unsere Gegner machen ihre Sache aus ihrer Sicht sehr gut!“ stöhnt Frank. Doch natürlich haben sie nicht die besseren Argumente – sondern nur eine gute Schulung: „Wir haben es in der Regel mit akademisch ausgebildeten Leuten zu tun, die oft im öffentlichen Dienst stehen und häufig genügend Zeit oder gar den dienstlichen Auftrag haben, sich mit Argumenten gegen das Automobil zu beschäftigen.“ Ganz Deutschland, so will es BMW-Mangern scheinen, ist von einer radikal grünen Bürokratie besetzt, die alles tut, um Autos zu bremsen und BMW in den Ruin zu treiben.

Und die Bevölkerung? Sie sitzt im Autosessel und wagt nicht, sich gegen grüne Spinner zu wehren. Denn, so analysiert der Diplomingenieur mit einer Vorliebe fürs Psychologische: „Der Bürger weiß, daß in vielen Fällen das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel umweltfreundlicher ist als der Individualverkehr.“ Mangels Komfort von Bussen und Bahnen entscheide er sich aber meist für den eigenen Wagen – und das habe schwere psychische Konsequenzen: „Dadurch entsteht das schlechte Gewissen bei den Betroffenen. So werden sie – zu ihrer eigenen emotionalen Entlastung – sehr anfällig für Parolen gegen das Auto.“ Wer Kritik am Auto ernst nimmt, tut das also nicht wegen guter Argumente, sondern um seinen Gefühlshaushalt in Ordnung zu bringen.

Und dann, auf Seite fünf, beginnt Frank den Nahkampf. Jeder halbwegs bekannte Autogegner der Republik wird gewürdigt, Kritikpunkte werden aufgelistet, die sich Franks BMW-Kollegen leicht merken können.

Beim Standardwerk „Straßen für alle“ von Heiner Monheim und Rita Monheim-Dandorfer sind es die mangelnden Quellenangaben, bei Otl Aichers Buch „Kritik am Auto“ stört eine unkorrekte Abbildung: „Der Designer fand in seinem Eifer für ein Tempolimit auf Autobahnen kein passendes Katastrophen-Foto eines dramatischen Autobahnunfalls und behalf sich dann einfach mit einem Unfallbild von der Landstraße.“ Makaber daran: Otl Aicher kam 1991 bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Persönliche Diffamierung von Kritikern

Manche Kritiker hätten es sowieso vor allem aufs Geld abgesehen („Werner Brög von Socialdata verbreitet seine Weisheiten sicher nicht zum Nulltarif“, er sei „auch den Auftraggebern gefällig“). Und Karl-Otto Schallaböck sei, „abgesehen von seinem starken Rauchen, ein Vertreter einer eher asketischen Lebensweise und fordert dies natürlich auch von anderen“. Raucher als Umweltzerstörer haben es Detlef Frank anscheinend besonders angetan: „Einige Umwelt-Eiferer stört [...] nicht einmal, daß sie ihren Mitbürgern die Wichtigkeit von gesunder Luft in dramatischen Bildern vor Augen führen, selbst aber stark rauchen.“ Wer raucht, muß auch Auspuffqualm vertragen.

Franks Fazit: „Autokritiker [...] wollen – wie andere Menschen auch – Macht und Einfluß, Aufmerksamkeit und Anerkennung, und sie müssen außerdem für ihren Lebensunterhalt das notwendige Geld verdienen.“ Und Franks Rat an BMW? Man müsse „Umweltschutz sehr ernst nehmen“. Nicht etwa durch sparsamere oder gar weniger Autos: „Wichtig ist, daß unsere Akzeptanz gestärkt wird.“

Und wie? Zum Beispiel, indem man ein paar ökologisch klingende Verkehrspapiere veröffentlicht, etwa über „kooperatives Verkehrsmanagement“ – das soll den Bürgern signalisieren, „daß BMW über den heutigen Tag und seinen Horizont hinausschaut“. Positives Beispiel seien die neuen BMW-Visitenkarten, auf denen draufsteht, wie man mit der U-Bahn zur Firmenzentrale kommt: „Auch scheinbar belanglose Kleinigkeiten prägen unser Bild.“

Den „Katastrophen-Aposteln“ müsse man in Zukunft härter entgegentreten, fordert Frank im letzten Kapitel: „Wir haben uns viel zu lange in die Ecke des armen Sünders drängen lassen.“ Daher, so appelliert Frank: „Entlarven wir die falschen Umweltschützer!“