■ Rente für Ostabgeordnete
: Revolutionspensionäre

Sie sind schon zu bedauern, unsere Parlamentarier. Wie ein „Straßenfeger der Nation“ fühlt sich der Ostberliner SPD-Abgeordnete Knut Herbst, sein Kollege Andreas Gram von der CDU verglich seine Lage gar mit einem „Abfalleimer der Gesellschaft“. Jammern und klagen war angesagt, als gestern auf der gemeinsamen Sitzung des Rechts- und Innenausschusses der kunstvolle Rechentrick für die Altersversorgung der Ostparlamentarier durchgesetzt wurde. Fünf Jahre und acht Monate Parlamentszeit in West- und Ostberlin werden nun auf biblische sieben Jahre gestreckt. So erhalten diejenigen, denen einst als Abgeordnete der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung die Einheit in die Quere kam und die danach ins Abgeordnetenhaus gewählt wurden, nun doch noch eine kleine, aber feine Rente. Ab dem 63. Lebensjahr bekommt jeder der Betroffenen monatlich 1.921 Mark brutto ausgezahlt.

Auch wenn vereinzelte Abgeordnete von CDU und SPD im Ausschuß gegen die Privilegierung einer 45köpfigen Gruppe von Ostparlamentariern wetterten – am Ende siegten jene, die die Leistungen der Stadtverordneten bei der Wiederherstellung der Einheit und der Abwicklung der SED-Herrschaft belohnen wollten. Immerhin: Die bislang unauffälligen Ostaussitzer, die hinter den Kulissen maßgeblich die Rentenregelung betrieben, haben in fünf Jahren Westparlamentarismus eines schnell gelernt: Selbstbedienung. Nebenbei bestätigten die selbsternannten Revolutionäre das Motto Lenins aufs allertrefflichste, wonach die Deutschen erst eine Bahnsteigkarte kaufen, bevor sie eine Revolution machen. Nur in einem winzigen Detail irrte der russische Revolutionär: So billig kommt man heute nicht mehr weg. Unter einer Parlamentsrente wird in Deutschland kein Umsturz mehr gewagt. Severin Weiland

Siehe auch Bericht Seite 22