Press-Schlag
: Ranissimo!

■ Lauschangriff in der Altstadt

Letzte Woche Dienstag. So gegen zehn in der Altstadt von Wiesbaden. Sitze da und denke an nichts Böses. Mümmle am Brötchen herum, schlürfe Café au lait und sinniere geistig entrückt, daß sich das Leben lohnt als rasender Reporter. Man hat sein Auskommen, ein gutes Frühstück, und meistens wird man gelesen. Doch plötzlich hocken sich zwei an den Nachbartisch, die ich aus dem Fernsehen kenne, und aus ist es mit der Idylle. Johannes Baptist Kerner und Jörg Dahlmann. Von „ran“ auf Sat.1. Zwei Kollegen, die wirklich wichtig sind und sich nicht wie ich mit Zeilengeld rumplagen müssen. Die das Rotlicht kennen und keinen Rotstift. Zwei, die ich seit langem wegen ihrer Einfälle bewundere. Zwei, denen ich jedes falsche Bild verzeihe.

Sie lassen sich also neben mir nieder, und ich bin sehr aufgeregt und habe gleich solche Ohren. Reporter, der ich nun mal bin. Ich versuche, möglichst lautlos zu kauen und möglichst unbeteiligt zu gucken, und vernehme, daß sie bald zu einem Fußballturnier in die Schweiz fahren. Heute morgen wollen sie sich auf die Filmberichte vorbereiten. (Ich zücke den Block und zitiere im folgenden unvollständig und auszugsweise.)

Was tun? spricht Kerner. Sammeln, sagt Dahlmann. So soll es sein, sagt Kerner und zeigt gleich, daß er aufgepaßt hat in der Schule. Zur Schweiz fallen ihm auf der Stelle Tell, Sutter, Apfel auf dem Kopf, Rütlischwur, Löcherkäse, Kühe, Drogenstadt Zürich, Chapuisat und Matterhorn ein. Dahlmann nur Alphörner.

Drängt sich mir kein Sinn auf, meint Kerner. Sind doch hübsch, die Dinger, sagt Dahlmann, und schreibt alles mit. Er hat nämlich die schönere Schrift, beschließen beide. Dann geht es um Wortspiele in der Moderation. Durch diese hohle Gasse muß das Leder kommen, sagt Kerner. Vom Feinsten, meint Dahlmann, und schreibt und schreibt.

Die Abwehr der Schweizer ist so löchrig wie ihr Käse, fällt Dahlmann ein. Auch nicht schlecht, sagt Kerner. Und was ist mit den Drogen? Spielrausch? fragt Dahlmann. Weit hergeholt, stöhnt Kerner, mit so was läßt sich schlecht spaßen.

Alphörner? fragt Dahlmann. Ist jetzt wohl Ruhe, sagt Kerner. Den Schweizern geht die Puste aus, meint Dahlmann, als würden sie ins Alphorn blasen. Hmmmm, grunzt Kerner.

Geschichte, ruft Dahlmann, wir brauchen Geschichte. War nicht das erste Spiel der Deutschen nach dem Krieg gegen die Schweiz? Keine Ahnung, sagt Kerner, bin Sportreporter. Statt dessen schlägt er den Abschuß eines Balles vom Kopf vor. Ist Tell, sagt er. Kommt gut, sagt er.

Hammers? fragt Dahlmann. Nicht ganz, sagt Kerner. Was ist mit den Alphörnern? Mensch, Kerner, grinst Dahlmann. Wir werden eine richtig schöne Sendung machen, spricht Kerner, beißt herzhaft in sein Croissant und sieht wie ein zufriedener, großer Junge aus, der abends länger aufbleiben darf.

Sie zahlen. Ich zahle. Sie steigen in einen offenen 500er-Mercedes, zwängen sich durch die Fußgängerzone von Wiesbaden und setzen lässig ihre Sonnenbrillen auf. Ich begebe mich lässig in den nächsten Intercity und schlage noch mal ein starkes Stückchen Journalismus auf. Unerlaubt abgehört und unerlaubt veröffentlicht, aber warum sprechen die vom Fernsehen bloß immer so laut? Michael Schophaus

P.S.: Nicht böse sein, Johannes Baptist Kerner. Nicht schlagen, Jörg Dahlmann. Verzeiht mir bitte meinen kleinen Lauschangriff. War sicherlich der pure Neid. Denkt einfach an den Rütlischwur. Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, steht da. Vielleicht irgendwann auch einmal unter Kollegen.