Ein neues Homeland für Südafrika

■ Burischer „Volksstaat-Rat“ präsentiert Vorschlag über unabhängigen weißen Staat / Mandela verhandlungsbereit

Johannesburg (taz) – Südafrikas Buren träumen immer noch von ihrem „Recht auf Selbstbestimmung“. Knapp über ein Jahr nachdem der erste schwarze Präsident des Landes, Nelson Mandela, vereidigt wurde, präsentierte ihm der sogenannte „Volksstaat-Rat“ konservativer Weißer Ende vergangener Woche ein umfängliches Konvolut: den „Ersten Zwischenbericht“ darüber, wo der Staat der burischen Träume liegen soll. Mandela nahm den Bericht entgegen und erklärte nun, man werde verhandeln – was ihm giftige Reaktionen ausgerechnet seitens der früheren Machthaber am Kap, der Nationalen Partei unter dem ehemaligen Präsidenten Frederik Willem de Klerk, und sogar seitens der rechtsextremen „Afrikaner Widerstandsbewegung“ (AWB) einbrachte.

In einer Regierungserklärung vor dem südafrikanischen Oberhaus in Kapstadt zeigte sich Mandela am Donnerstag abend verhandlungsbereit. Die Entscheidung über einen Volksstaat, so Mandela, liege beim Volk von Südafrika. „Das Ziel muß sein, die Prinzipien von Demokratie und rassischer Gleichheit zu verwirklichen“, erklärte er. Den Anhängern des Volksstaates müsse gezeigt werden, daß es sich lohne, miteinander zu sprechen.

In seinem mehr als 100 Seiten dicken Bericht schlägt der „Volksstaat-Rat“ vor, den Burenstaat rings um die südafrikanische Hauptstadt Pretoria zu errichten. Er soll aus zwei Teilen bestehen, die jeweils im Westen und Osten von Pretoria lägen und nur lose über Randbezirke der Hauptstadt miteinander verbunden wären. Im Westen würde er mehrere Goldminen umfassen. Im kleineren Ostteil reicht er in die Kohleregion. Mitten zwischen den beiden Teilen läge Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg, mit nur einer offenen Südostflanke zum Rest des Landes. Vorausgegangen sind dem Bericht umfangreiche, angeblich streng wissenschaftliche demographische Erhebungen in ganz Südafrika: In der vorgeschlagenen Region, so die Begründung, gäbe es eine Mehrheit von „Afrikaanern“, und zwar im westlichen Teil 58 Prozent, im östlichen 61 Prozent. Da solche Mehrheiten allerdings auch im Rest des Landes zu finden sind, soll es neben dem „Kernland“ fünf sogenannte autonome Gebiete geben, die über ganz Südafrika verstreut sind.

Der „Volksstaat-Rat“ war nach Südafrikas ersten freien Wahlen im April 1994 als Teil der verfassungsgebenden Organe eingesetzt worden – ein Zugeständnis des Afrikanische Nationalkongresses (ANC) an die rechte „Freiheitsfront“ unter General Constand Viljoen. Er beruft sich auf die geltende Übergangsverfassung von Südafrika, die allen Völkern das Recht auf Selbstbestimmung gewährt. Allerdings definiert sich der Volksstaat nicht nur ethnisch, sondern auch ideologisch: Volksstaatler dürfen Menschen werden, die „aktiv die Afrikaanse Sprache, Kultur und Traditionen“ teilen, ausüben oder beibehalten oder aktiv den Volksstaat unterstützen.

In einer Übergangsphase sollen die Gebiete noch „unabhängige Bestandteile“ einer föderalen Republik Südafrika sein. Das „Recht auf Selbstbestimmung“ kann nach Meinung des „Volksstaat-Rates“ allerdings nur verwirklich werden, wenn es langfristig einen richtig unabhängigen Burenstaat gibt. Demzufolge sollen die Bewohner des Volksstaates eine eigene Staatsbürgerschaft erhalten und die Südafrikas ablegen – wie in der alten Apartheid-Homelandpolitik. Kordula Doerfler