„Prizipiell muß die SPD offen bleiben“

■ Karl Hermann, ein Sprecher des Seeheimer Kreises, lehnt Rot-Grün nicht ab

taz: Lehnen Sie als ein Sprecher des Seeheimer Kreises wie etwa der Gewerkschafter Berger Rot-Grün ab?

Karl Hermann: Nein. Wir haben eine andere Position. Fragen der Ökonomie müssen mit Fragen der Ökologie verknüpft werden. Das kann man zur Zeit mit der FDP und mit dem CDU-Wirtschaftsflügel nicht machen. Daraus ergibt sich logischerweise, daß wir uns mit den Grünen auseinandersetzen.

Aber die Sympathie für die Grünen ist neu?

Das ergab eine Veränderung bei den Grünen. Der Realo-Flügel führt die grüne Partei um die SPD herum auf eine rechte Position.

Ist denn Düsseldorf ein Signal für Bonn?

Düsseldorf wird zeigen, was mit Rot-Grün machbar ist. 1997 werden wir uns entscheiden. Wenn CDU und FDP erklären, sie wollen gemeinsam weitermachen, muß sich die SPD fragen, ob sie mit den Grünen gehen will.

Was ist, wenn die FDP mit der SPD liebäugelt? Was ist mit einer Großen Koalition?

Prinzipiell muß die SPD für alle Seiten offen bleiben. Wir müsen zunächst versuchen, bei den Wahlen über 40 Prozent zu kommen, statt uns auf ein rot-grünes Lager festzulegen.

In NRW haben sich die Bürger bewußt für Rot-Grün entschieden. Muß die SPD daraus keine Konsequenzen ziehen?

Nein. Wir haben immer Programme zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft vorgelegt, die aber nicht richtig vermittelt wurden. Denn die gesamte SPD-Führung hat nie konkret gesagt, was wir wollen, zum Beispiel bei der ökologischen Steuerreform. Da kommt jetzt Bewegung rein.

Wie kann die SPD mehrheitsfähig werden?

Wir müssen wieder die führende Position in der sozialen Frage als Gestaltungsaufgabe der Gesellschaft im Dreiklang von Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik übernehmen. Die SPD darf die Debatte „Subsidiarität und Solidarität“ nicht den Konservativen und Neoliberalen überlassen. Leider hat der linke Flügel der Partei sich für die soziale Frage nicht interessiert. Es hat während des Berliner Parteitages ja eine bewußte, plakative Umdefinition der Partei gegeben, um das Ökologische zu betonen: „SPD – ökologisch, sozial, wirtschaftlich stark“ statt „SPD – sozial, ökologisch, wirtschaftlich stark“. Doch ökologische Fragen sind immer auch soziale. Es macht keinen Sinn, über die Chemie- und Autoindustrie zu schimpfen, wenn man nicht gleichzeitig sagt, wo die Beschäftigten bleiben. Die reine Überschrift: „Ökologischer Umbau der Industriegesellschaft“ reicht nicht.

Muß der rechte Flügel die Ökologie stärker betonen?

Wir haben diese Frage nie bestritten, sondern nur anders akzentuiert. Die SPD operiert in zwei Kraftfeldern: Das eine ist das Bündnis der sozialen Verantwortung in und mit den traditionellen Milieus. Das andere das ökologische Bündnis. Beide Kraftfelder gilt es als Ellipse zueinander zu organisieren. Da muß sich auch der rechte Flügel bewegen. Das Gespräch führte Karin Nink