Press-Schlag
: Glamour gesucht

■ Das dezente Dilemma des Frauentennis

Der Unterschied zwischen einem Grand-Slam-Turnier und einem Tennisturnier der ersten Kategorie ist sehr leicht zu erklären: Bei den French Open in Paris sitzen Jean-Paul Belmondo und Caroline von Monaco in den Logen, bei den German Open in Berlin Roberto Blanco und Monica Diepgen. Grand-Slam-Turniere haben zudem wenig Probleme mit der sportlichen Attraktivität. Alles, was Rang und Namen hat im Tenniszirkus, ist da, der bunte Wechsel von Männer- und Frauenspielen sorgt dafür, daß keine Langeweile auftritt. Wer Muster satt hat, rennt eben schnell zu Sabatini. Ohnehin ist die ATP-Tour der Herren durch die spektakuläre Rückkehr der ehemaligen Frührentner Andre Agassi und Boris Becker wiederbelebt worden, ein potenter Hauptsponsor läßt die Kassen klingeln, von Reformen, wie sie etwa John McEnroe im letzten Jahr forderte, redet kein Mensch mehr.

Anders bei der Frauen-Tour, die noch immer heftig unter dem Attentat auf Monica Seles vor zwei Jahren leidet. Mit Seles, der zurückgetretenen Martina Navratilova und, eingeschränkt, der demotivierten Jennifer Capriati hat das Frauentennis gleich drei seiner schillerndsten Figuren eingebüßt, erschwerend hinzu kommen die allseits beschworene Tennisübersättigung und die fragile Gesundheit der einzigen verbliebenen Galionsfigur Steffi Graf. Zwar beteuern Spielerinnenorganisation WTA sowie die mit dem Frauentennis verbandelten Fernsehsender und Marketingexperten emsig, daß alles gar nicht so schlimm sei, doch auch bei einem Turnier der ersten Kategorie, bei dem normalerweise die Top ten fast vollständig versammelt sind, wenn es nicht, wie in Berlin, kurzfristige Absagen von Graf, Huber, Novotna, Davenport hagelt, wird deutlich, wo es brennt.

Ein kurzer Blick auf das Pressematerial oder die Banden des Centre Courts enthüllt das zentrale Problem. Ein schlichtes „WTA-Tour“ steht an der Stelle, wo sonst immer der Name eines großen multinationalen Konzerns prangte. Die WTA hat es trotz monatelanger Bemühungen nicht geschafft, einen Hauptsponsor an Land zu ziehen. Der einzige Kandidat, die Firma Tampax, die bereit war, zehn Millionen Dollar für drei Jahre zu zahlen, wurde abgewiesen, weil die WTA befürchtete, durch die Präsenz eines derart „intimen“ Produkts vor allen in den prüden USA die lokalen Sponsoren abzuschrecken, die 35 Millionen Dollar jährlich in ihre Kassen fließen lassen. Für dieses Jahr ist die Finanzierung der Tour dadurch gesichert, daß Turnierveranstalter und auch die Spielerinnen (durch gekürzte Prämien) einen erhöhten Beitrag leisten. Im nächsten Jahr könnte es jedoch prekär werden, vor allem für Mark McCormacks International Management Group (IMG), die die komplette Vermarktung der WTA-Tour übernommen hat und bis 1999 für ihre Durchführung geradestehen muß.

Die German Open stellten die Probleme geradezu idealtypisch dar. Geboten wurde gutes bis sehr gutes Frauentennis, trotz der Absagen kamen jede Menge Zuschauer, das Fernsehen übertrug emsig, die Stimmung war gut. Die Besetzung des Halbfinales jedoch dürfte den IMG-Leuten vor allem in Hinblick auf künftige Verhandlungen über Fernsehrechte eine leichte Gänsehaut versetzt haben. Die instabilen Publikumslieblinge Gabriela Sabatini und Mary Pierce hatten sich samt allen deutschen Teilnehmerinnen früh verabschiedet, mit Magdalena Malejewa (Bulgarien), Irina Spirlea (Rumänien) und Natascha Zwerewa (Weißrußland) waren drei Spielerinnen verblieben, die zwar exzellent Tennis spielen, deren Heimatländer fernsehmäßig aber kaum etwas hergeben. Hinzu kam die Stachanowistische Grundlinienwühlmaus Arantxa Sanchez-Vicario, die so wie ihre Landsfrau Conchita Martinez fast jedes Finale erreicht, mit ihrem unspektakulären Tennis aber auch im Endspiel gegen Malejewa höchstens ihren eigenen Hund „Roland Garros“ hinter dem Ofen hervorzulocken vermag.

Es herrscht ein akuter Mangel an Spielerinnen, die das Publikum selbst dann vor die Bildschirme treiben, wenn es nicht gegen einheimische Gegnerinnen geht. So wird auch die Hysterie verständlich, die sofort ausbricht, wenn gut vermarktbare Newcomer wie Martina Hingis (14) oder Jana Kandarr (18) die Szene betreten, die praktisch noch nichts gewonnen haben, aber bereits als „Messiasin“ (der halbseriöse Sport Zürich über Hingis) oder „neue Steffi“ gefeiert werden. Das Frauentennis braucht zur Sicherung seiner Zukunft dringend mehr Glamour, zumal ein ähnliches Wunder wie bei den Männern, sei es die Rückkehr von Monica Seles oder ein überraschender Vorstoß von Martina Navratilova und Chris Evert an die Spitze der Weltrangliste, kaum zu erwarten ist. Matti Lieske