Tot ohne Industrie in Berlin

■ Senat fordert Siemens zu Gespräch über Kabelwerk auf / Meisner sieht Industriestandort insgesamt gefährdet

Der Senat verlangt vom Vorstand der Siemens AG in München ein Gespräch über die Zukunft des von umfangreichem Stellenabbau bedrohten Kabelwerks in Spandau. Nach der Reduzierung der Arbeitsplätze von 850 auf 200 Stellen bis Ende 1997 werde es von dem traditionsreichen Werk hinsichtlich der Beschäftigtenzahl einen kaum noch lebensfähigen Rest geben, sagte Wirtschaftssenator Meisner gestern laut einem vorab verbreiteten Redetext für die Aktuelle Stunde des Abgeordnetenhauses zum Thema „Industriestandort Berlin“.

Meisner äußerte Zweifel an Aussagen von Siemens-Vorstandschef Heinrich von Pierer, wonach der Stellenabbau im Kabelwerk aus betriebswirtschaftlichen Gründen unvermeidbar sei. Man wisse sehr genau, daß das Kabelwerk sich bei konzerninternen Vergleichen immer gut behauptet habe. Der Wirtschaftssenator stellte die Frage, ob vielleicht die Scheu vor dem Imageverlust bei der Schließung eines ostdeutschen Werkes Siemens zu seinem Schritt bei dem Spandauer Traditionsbetrieb bewogen habe.

Siemens sei der größte private Arbeitgeber der Stadt. Als solcher habe das Unternehmen von Berlin und vom Bund über Jahre großzügige Unterstützung erhalten. Es sei nicht hinnehmbar, daß eine Firma von dieser Bedeutung Schritt um Schritt ihre industrielle Tätigkeit in der größten deutschen Stadt verringere ohne Rücksicht auf die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen. „Siemens ist zu lange in der Stadt und zu groß, als daß sich die Firma unbemerkt aus dem Produktionsstandort Berlin hinausschleichen könnte.“

Am Dienstag hatten 3.000 Beschäftigte vor der Berliner Siemens-Zentrale gegen den geplanten Stellenabbau protestiert. Von Pierer hatte in der vergangenen Woche bekräftigt, daß die Beschäftigungsreduzierung unvermeidbar sei. Preisverfall und steigende Produktionskosten hätten bei Starkstromkabeln in den zurückliegenden Jahren zu Verlusten in Millionenhöhe geführt. Teile der Produktion sollen deshalb nach Schwerin und in osteuropäische Staaten verlagert werden, wo es günstigere Produktionsbedingungen gebe. dpa