NPD-Sturmspitze geht in den Knast

■ Zwei Jahre Haft wegen Auschwitzleugnung / Ein politischer Prozeß mit Eigendynamik / Deckert bleibt unbelehrbar

Karlsruhe (taz) – Günter Deckert, Chef der rechtsextremistischen NPD, muß auf zwei Jahre ins Gefängnis. Das Landgericht Karlsruhe verurteilte ihn wegen Volksverhetzung, Anstachelung zum Rassenhaß und Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Das Gericht folgte dem Antrag des Staatsanwalts Hans-Heiko Klein.

Die Höhe der Freiheitsstrafe ist nur vor dem Hintergrund der fast dreijährigen Prozeßgeschichte (siehe Kasten) nachzuvollziehen. Vor über zwei Jahren richtete das Landgericht Mannheim zum ersten Mal über Deckerts Rolle bei einer von ihm initiierten Veranstaltung mit dem US-amerikanischen Auschwitz- Leugner Fred Leuchter. Damals galt das Strafmaß von einem Jahr auf Bewährung noch als eher hartes Urteil. Für Aufsehen sorgte insbesondere, daß das Gericht Deckert nicht nur wegen Beleidigung, sondern auch wegen Volksverhetzung zur Verantwortung zog. Der Bundesgerichtshof (BGH) verfügte denn auch prompt die Aufhebung des Urteils, weil das Mannheimer Gericht das Vorliegen der Volksverhetzugn „zu pauschal“ unterstellt habe. Ein Hauch von Justizskandal lag in der Luft, weil das BGH-Urteil teilweise als Freibrief für strafloses Leugnen des Holocaust mißverstanden wurde, als Reaktion verschärfte der Bundestag den Volksverhetzungsparagraphen im Strafgesetzbuch. Für den zurückliegenden Fall ist dieses „Lex Deckert“ zwar noch nicht anwendbar, Deckerts Verfahren stand aber offensichtlich bereits in enger Wechselbeziehung mit dem politischen Tagesgeschäft.

Eine neue Kammer des Mannheimer Landgerichts bestätigte nun das erste Urteil. Wieder lautete die Strafhöhe: ein Jahr auf Bewährung. Wieder fand dies kaum jemand zu milde, eher war man froh, daß jetzt den rechtsstaatlichen Bedenken des BGH durch eine ausführliche Beweisaufnahme Rechnung getragen war. Das Urteil geriet erst zum Skandal, als Wochen später die schriftliche Urteilsbegründung bekannt wurde. Darin rückten die RichterInnen (allen voran Berichterstatter Rainer Orlet) die antisemitischen Ausfälle von Deckert äußerst verständnisvoll in die Nähe eines „berechtigten Interesses“. Ein Glück, daß Staatsanwalt Klein wie auch Deckert bereits Revision beantragt hatten. Dies gab dem BGH Gelegenheit, erneut einzugreifen. Doch diesmal war alle Welt zufrieden über die Intervention des obersten deutschen Strafgerichts, obwohl sich an der verhandelten Tat genausowenig geändert hatte wie am Strafausspruch, den die BGH-RichterInnen aufhoben. Die Wut über Richter Orlets Skandalbegründung prägte so auch das Klima im Vorfeld des neuen Deckert-Prozesses, der auf Wunsch des BGH diesmal am Landgericht Karlsruhe stattfand.

Daß Deckert wohl nicht mehr mit einer Strafaussetzung zur Bewährung rechnen konnte, lag nach der Begründung des zweiten BGH-Urteils in der Luft. Daß aber gleich das Strafmaß verdoppelt werden würde, hat er sich selbst zuzuschreiben. Wieder einmal verwechselte er den Gerichtssaal mit einer Parteiversammlung, erneut versuchte er am Freitag, sich als zu Unrecht verfolgten kritischen Zeitgeschichtsforscher darzustellen. Als ihn Staatsanwalt Klein eindringlich fragte: „Glauben Sie wirklich, daß in Auschwitz keine Juden vergast wurden?“, antwortete Deckert: „Ich glaube nichts mehr, ich will wissen.“

Auch für seinen offenen Brief an den jüdischen Politiker Michel Friedmann, dem Deckert die Auswanderung nach Israel empfahl, fand der ehemalige Lehrer, der seit 1988 mit Berufsverbot belegt ist, keine Entschuldigung. Staatsanwalt Klein, sichtlich ausgebrannt von dem jahrelangen Clinch mit Deckert, in seinem Plädoyer: „Sie sind ein Antisemit, wie er im Buche steht!“ Im Schlußwort räumte Deckert die Existenz von Massenmorden ein und wollte seine Skepsis auf Art und Umfang des Holocaust beschränken. Doch da war es für derlei Zwischentöne bereits zu spät.

Deckert hatte sich – die in Aussicht stehende Märtyrerrolle fest im Visier – in der Verhandlung einmal mehr als unbelehrbar präsentiert. Nach der Urteilsverkündung kündigte Deckert Revision an. Diese wird nach Ansicht von BeobachterInnen vom BGH aber wohl ohne Verhandlung als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden. Christian Rath