Vom Virus infiziert – bloß wer?

Das Bonzenhobby Golf soll Breitensport werden / Allein in Brandenburg sind sieben neue Golfplätze gebaut und ist der Bau von 28 weiteren bewilligt worden  ■ Von Peter Lerch

Der „erste Golfer“ der Welt, Sandy Jones, schreitet gemessen auf das „green“ zum Abschlag und steckt das „T“ in den Boden; darauf legt er vorsichtig den Ball. Gespannte Stille. Die Zuschauer halten ehrfürchtig die Luft an, während der Direktor der Professional Golfers Association (PGA) den „driver“, einen metallenen Holzschläger, probehalber durch die Luft sausen läßt. Ein kurzes trockenes „Flopp“, und dann zischt der Golfball davon, als wolle er die flache Scheibe märkischer Erde verlassen.

Für diesen Eröffnungsschlag ist der britische Maestro eigens ins brandenburgische Wilkendorf gereist. Denn in dem verschlafenen Nest nordöstlich von Berlin wurde vergangene Woche die PGA-Golfakademie Schloß Wilkendorf übergeben. „Der Golf- und Wohnpark soll in den nächsten Jahrzehnten allen Golfanfängern und Golfern das Gefühl vermitteln, ein zweites Zuhause gefunden zu haben“, erklärte Michael Popp, Geschäftsführer von „Henning, von Harlessem & Co. GmbH“, die am Bau der Anlage beteiligt war.

Verfügte Berlin noch bis 1989 gerade mal über zwei Golfplätze, gab es nach der Wende einen Golfplatz-Boom. Wilkendorf ist der nunmehr neunte Golfplatz in der Umgebung von Berlin, der eine noch nicht existierende Nachfrage befriedigen soll. Denn nur 0,4 Prozent der Berliner gehen gelegentlich zum Golfspielen. In Brandenburg lassen sich die Anhänger des schnarchseligen Sportes gar nur noch in Bevölkerungsanteilen von Promillegröße statistisch erfassen. Dessenungeachtet will die PGA- Akademie nun Theorie und Praxis des als Rentnerhobby für Reiche verschrienen Sportes vermitteln.

„Die Golf-Profis aus England nahmen viele Jahre eine Missionarsstellung im Bereich des Golfsportes ein“, erklärt Sandy Jones, der Oberguru der zwanglosen Lochdisziplin. Der Brite, der ein bißchen redet, als hätte er Murmeln im Mund, sieht in Wilkendorf eine einmalige Chance, den hierzulande ziemlich unbekannten Golfsport weiterzuentwickeln und auf ein ähnlich hohes Niveau zu bringen wie in seiner Heimat.

Doch neben der 27-Loch-Anlage am Wannsee, dem 9-Loch-Platz in Gatow und anderen Golfplätzen wie in Tremmen, Ketzin oder Motzen macht die Verbreiterung des Angebots für einen derartigen Minderheitensport offenbar nur wenig Sinn. Doch neben der PGA Golfakademie und den dazugehörigen Anlagen ist hier auch ein Wohnpark mit 300 bis 350 Häusern und Wohneinheiten, ein Sportärztehaus sowie eine Hotel-und Appartementanlage mit Tennisplätzen vorgesehen. Nur für den Fall, daß das Golfspielen wider Erwarten bis zum Jahr 2000 keine 30.000 Einheimischen entflammt.

Doch zunächst soll der Entspannungssport Laien und Kindern zugänglich gemacht werden, damit diese „vom Virus Golfspiel infiziert werden“, wie Wolfgang Lorenz, der Präsident des Golfverbandes Berlin-Brandenburg, frohlockt. Er sieht im kultischen Weghauen des weißen Bällchens sogar einen zukünftigen Breitensport. Dabei ist das Hobby schon wegen des finanziellen Aufwandes kaum zur sportlichen Massenbewegung geeignet. Die Aufnahmegebühr für die Vereinsmitgliedschaft beträgt 30.000 Mark. Dazu kommt eine Jahresgebühr von 2.500 Mark. Die Anschaffung der Schläger, von denen der Golfer ein gutes Dutzend benötigt, beläuft sich noch einmal auf rund 5.000 Mark.

Beim Golf- und Landclub Wannsee ist der Aufnahmebeitrag zwar sehr viel preiswerter und kostet bloß 3.000 Mark und der Jahresbeitrag nur 2.500 Mark, doch entsprechend lang ist die Warteliste. In den nächsten zwei Jahren, erklärt man dort auf Nachfrage, bestehe keine Chance auf Mitgliedschaft. In Semlin werden vom Golfspieler 17.500 Mark Einstand und ein jährlicher Beitrag von 1.750 Mark verlangt.

Doch um das eigenartige Freizeitvergnügen der Masse zugänglich zu machen, soll in Wilkendorf auch Otto Normalverbraucher auf den Rauhaar-Rasen dürfen. Für Nichtmitglieder kostet eine Runde auf dem 18-Loch-Golfplatz 70 Mark. Da Laien dazu neigen, den gepflegten Rasen mit den Schlägern in einen Ackerboden zu verwandeln, benötigen sie zuvor eine Platzerlaubnis. Diese ist jedoch nur über Kurse wie das „PGA- Standard-Seminar“ zu erlangen. Kostenpunkt: 1.780 Mark.

Daß der Ansturm auf die Bastion der Golffreaks bislang hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, hält die Investoren jedoch nicht davon ab, immer mehr Golfplatzprojekte zu beantragen. Bis Mitte 1993 registrierte das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung in Potsdam Anträge für 114 Golfplatz- und Freizeitbauvorhaben. Der Bau von 28 Golfplätzen (!!) wurde bewilligt.

Geschäftsführer Michael Popp schlußfolgert messerscharf, daß Golf nur eine Chance habe, sich zum Breitensport zu entwickeln, wenn er von den Medien in Zukunft so behandelt wird wie Tennis oder Basketball. Im Moment hat dieser Sport im Osten jedoch eine ähnliche Popularität wie Synchronschwimmen.