Mit Vollgas in Dallas

In Texas sollen bald eine Million Autos mit Erdgasantrieb unterwegs sein / Das Gas ist noch billiger als Benzin, aber die Umstellung ist teuer  ■ Aus Austin Annette Jensen

Erdöl gehört zu Texas wie J.R. Ewing zu „Dallas“. Durch die Förderung von Erdöl wurde das Land reich, durch die Verbrennung von Erdöl wurde das Land verdreckt. In den letzten Jahren schließlich bekamen die Texaner ihre Abhängigkeit vom „schwarzen Gold“ zu spüren: Als in den 80er Jahren die Ölpreise auf dem Weltmarkt absackten, lohnte sich für viele Ölkonzerne die Förderung im eigenen Land nicht mehr; sehr schnell wurden in der texanischen Ölindustrie über 100.000 Leute arbeitslos.

Dazu kam die Luftverschmutzung, vor allem durch den Straßenverkehr. Von den 17 Millionen TexanerInnen besitzen 14 Millionen ein Auto und nutzen es fleißig. In Dallas, Houston und El Paso werden die schlechtesten Luftwerte in den ganzen USA gemessen. 7,5 Prozent der texanischen Kinder leiden unter Asthma.

Auch Texaner müssen umlernen. Das Luftreinhaltegesetz, das für die gesamten Vereinigten Staaten gilt, droht mit empfindlichen Strafen, wenn die Luft nicht bis 1997 deutlich verbessert wird. Und die Strafe träfe die Autoverliebten besonders hart: „Texas könnte 900 Millionen Dollar Unterstützung für den Straßenbau einbüßen“, drohte das General Land Office. Da wußten die texanischen Politiker: Es muß etwas geschehen. Eine Möglichkeit kam selbst fast allen Umweltschützern in den USA unmöglich vor – die Einschränkung des Autofahrens. Also begann die Suche nach einer technischen Lösung: Gibt es einen Treibstoff, der die Luft weniger verschmutzt, so daß alle weiterfahren dürfen wie bisher?

Ein Spiel, bei dem alle nur gewinnen können

Die Antwort heißt Erdgas. Es scheint, als habe das Land ein neues Spiel entdeckt, bei dem alle gewinnen: Durch die Umstellung auf Erdgas wächst die Wirtschaft, mehr Leute finden einen Job und die Umwelt profitiert. Wahrscheinlich haben die Politiker recht, die so reden. Denn Erdgas verbrennt sauberer als Benzin oder Diesel; im Vergleich zu Diesel entstehen etwa 60 Prozent weniger Kohlenmonoxid und 80 Prozent weniger Stickoxide. Wenn die Texaner nicht plötzlich noch mehr Kilometer abspulen und ein paar Millionen zusätzliche Autos anschaffen, könnte die Luft tatsächlich sauberer werden.

Ökonomisch dürfte sich die Strategie ebenfalls lohnen: Texas verfügt über ein Viertel der Gasvorkommen der USA. „Riesige Investitionen und Zehntausende von Jobs wird es in den nächsten Jahren geben“, frohlockt Carlton Bell vom staatlichen Alternative Fuel Program in Austin. Da Gas nicht raffiniert werden muß und kaum besteuert wird, kostet es ungefähr halb soviel wie Benzin – das ohnehin lächerlich billig ist.

Vor allem Schulbusse und ein paar Müllautos wurden in den letzten Jahren mit Gastanks ausgerüstet. Zur Zeit fahren etwa 4.000 Erdgasvehikel und 30.000 mit dem Raffinerieprodukt Propangas betriebene Laster, PKW und Busse in Texas herum. „Im Jahr 2000 aber sollen es eine Million sein“, hofft der ehemalige BMW-Verkäufer Chris Brown, der die erste und bisher einzige Umrüstungswerkstatt in Austin betreibt. 5.000 Mark kassiert er für den Umbau eines PKW.

Den Hauptanteil werden also zunächst die Müllwagen, Regierungslimousinen und Omnibusse stellen. Neun von zehn Fahrzeugen der öffentlichen Unternehmen müssen in vier Jahren einen Alternativantrieb haben, und das wird meist Erdgas sein. Insgesamt erwarten die texanischen Behörden dadurch etwa 700.000 Fahrzeuge, die ohne Benzin fahren können.

Das Netz der Gastankstellen ist bisher noch dürftig, aber „es wächst von Woche zu Woche“, versichert Bell. Doch selbst wenn das Gas ausgeht, bleiben die US- Fahrzeuge nicht stehen. Ein einfacher Computer unter der Kühlerhaube sorgt dafür, daß der Motor dann automatisch auf Benzin umspringt. Die zwei Spritsysteme sind allerdings sehr platzraubend: Die wurstförmigen Gaskanister füllen den halben Kofferraum. „Es wird daran gearbeitet, die Behälter zu verkleinern. Und wenn es genug Gastankstellen gibt, braucht man den Benzintank ja gar nicht mehr“, hofft Chris Brown.

General Motors, Ford und Chrysler haben inzwischen einige Modelle mit Gasantrieb auf den Markt gebracht – allerdings sind sie 5.000 Mark teurer als herkömmliche Blechkisten. In der Bundesrepublik hat BMW ein Erdgasauto angekündigt und verlangt dafür sogar einen Aufschlag von 7.000 Mark. Wenig verlockend für Privatleute. Damit sich die Investition rechnet, muß man mit einem PKW über 250.000 Kilometer fahren – dafür braucht selbst ein Durchschnittstexaner neun Jahre.

Daß Texas nicht noch einen Schritt weitergeht und nach der Umstellung auf Erdgas auch auf Elektrizität aus Wind- und Solaranlagen setzt, liegt an der Lobby der Öl- und Gasindustrie. „Wir könnten mehr als zehn Prozent unseres Energiebedarfs allein mit Windkraftwerken decken“, sagt Karl Rabager, Kommissar der öffentlichen Versorgungsbetriebe von Texas. „Aber Gott hat die absurde Entscheidung getroffen, die größten Potentiale für erneuerbare Energien in den USA ausgerechnet dort hinzulegen, wo es auch die größten Vorräte an Gas, und Öl gibt.“