Staatsknete für „Asyl in der Kirche“

■ Pfarrer Jürgen Quandt, 1985 wegen der Blockade eines Flüchtlingsbusses verurteilt, begrüßt eine späte Entschädigung

Pfarrer Jürgen Quandt von der Heilig-Kreuz-Gemeinde war einer der Sitzblockierer, die 1985 für anderthalb Minuten die Fahrt eines Busses mit tamilischen Flüchtlingen am Flughafen Tegel behinderten. In erster Instanz wurde er wegen gemeinschaftlicher Nötigung zu 2.000 Mark Geldstrafe verurteilt. In zweiter Instanz verwarf das Landgericht die Berufung des Angeklagten, der einen Freispruch anstrebte, und verhängte eine Geldstrafe von 9.000 Mark. In der Revisionsverhandlung, die vier Jahre später stattfand, wurde Quandt verwarnt und zur Zahlung von 2.000 Mark auf Bewährung verurteilt. Die Justizsenatorin hat den Verurteilten jetzt Entschädigung angeboten, nachdem das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Wochen entschied, daß Sitzblockaden keine strafbare Handlung darstellten.

taz: Haben Sie jemals damit gerechnet, Anspruch auf Entschädigung zu bekommen?

Jürgen Quandt: Nein, damit habe ich nicht mehr gerechnet, obwohl jetzt endlich korrigiert worden ist, was eigentlich längst überfällig war. Daß das eines Tages mal so eine Wendung nimmt, das habe ich nicht angenommen. In der Revision war man ja schon zu der Auffassung gekommen, daß der Tatbestand der gemeinschaftlichen Nötigung nicht erfüllt war. Es ist gut, daß sich jetzt ein Wandel in den Auffassungen eingestellt hat. Das Thema Abschiebung, um das es uns damals ging, beschäftigt uns heute ja auch noch.

Werden Sie das Angebot der Justizverwaltung, die Verfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen, annehmen und sich mit ihr in Verbindung setzen?

Das werde ich ohne Zweifel machen. Das Urteil von damals habe ich bereits herausgesucht. Aber die Kostenbelege habe ich noch nicht gefunden. Der Prozeß war nämlich relativ teuer, auch wenn ich letzten Endes keine Strafe zahlen mußte. In den vier Jahren, die sich der Prozeß hinzog, habe ich zwischen 6.000 und 7.000 Mark Anwaltskosten gezahlt. Ich werde das Angebot der Justizverwaltung auch zum Anlaß nehmen, um mich in den nächsten Tagen in einem offenen Brief an die Justizsenatorin zu dem Thema Abschiebung zu äußern.

Wissen Sie schon, was sie mit dem Geld machen, wenn Sie entschädigt werden?

Das ist ziemlich klar. Die Prozeßkosten in meinem Falle wurden nicht von mir allein getragen. Ein Kreis von UnterstützerInnen hat Spenden aufgebracht. Es ist völlig selbstverständlich, daß jeder Pfennig, der aus der Staatskasse zurückfließen würde, wieder der Flüchtlingsarbeit zugute kommen würde. Ich nehme mal an, es wäre sicher im Sinne aller damals an der Aktion Beteiligten, wenn das Geld „Asyl in der Kirche“ zufließt.

Würden Sie wieder eine Sitzblockade machen?

Es kann schon sein, daß ein Pfarrer mal wieder in die Schlagzeilen gerät. Aber die Gesellschaft müßte mit solchen Protestformen leben können und als Zeichen für ein Problem akzeptieren. Interview: Barbara Bollwahn