Lametta statt Rücktritt

■ BND-Kontrolleur Schmidbauer: Orden in Spanien, Rücktrittsforderungen in Deutschland

Berlin (dpa/AFP/taz) – Der Bonner Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer hat gestern in Madrid einen hohen spanischen Orden erhalten – allerdings nicht für seine mögliche Beteiligung am jüngst aufgeflogenen Plutonium-Deal, der seinen Anfang in der spanischen Hauptstadt genommen hatte. Schlapphut „008“ erhielt das Großkreuz des spanischen Verdienstordens für seinen Anteil am Zustandekommen des Schengener Abkommens. Der Termin für die Verleihung falle nur zufällig mit der Plutoniumaffäre zusammen, betonte ein Botschaftssprecher.

Zu Hause widerfahren dem Kanzlermitarbeiter ganz andere Ehren. Die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) haben gestern Strafanzeige gegen den Kanzleramtsminister erstattet. Die Anzeige richte sich aber auch gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des bayerischen Landeskriminalamts (LKA). Die Ärzte werfen Schmidbauer vor, von der – von den Behörden bestrittenen – Inszenierung des versuchten Plutoniumhandels gewußt zu haben. Die Einfuhr des Plutoniums sei nicht nötig gewesen, um die Tatverdächtigen zu fassen. Strafverschärfend müsse wirken, daß ein Absturz des Flugzeugs mit dem Plutonium den Großraum München radioaktiv verseucht hätte.

Die Bonner Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen hat gestern erneut eine rückhaltlose Aufklärung des Atomschmuggels und der angeblichen Verwicklung des BND gefordert. Dies müsse nicht nur „im Geheimkämmerchen“ der Parlamentarischen Kontrollkommission, sondern auch im Innenausschuß geschehen, bekräftigte dessen innenpolitischer Sprecher, Rezzo Schlauch. Gegebenenfalls führe auch kein Weg an einem Untersuchungsausschuß vorbei: Bürger und Staat müßten vor „durchgeknallten Aktionen des Geheimdienstes“ geschützt werden. Schlauch forderte den Rücktritt von Schmidbauer. Er kritisierte „diametrale Widersprüche“ zwischen dessen Darstellung und der des Bundesnachrichtendienstes. Während Schmidbauer von einer positiven Präventivaktion spreche, wolle der BND nichts damit zu tun gehabt haben.

Der SPD-Politiker Nobert Gansel betonte, wenn die Berichte über den Atomschmuggel stimmten, müsse geklärt werden, ob der BND erst den Markt für atomwaffenfähiges Material geschaffen habe. Die Einfuhr von Plutonium in die Bundesrepublik sei strafbar. Auch habe sich Deutschland in den Verdacht gebracht, in den Besitz von Atomwaffen gelangen zu wollen. Dieser unglaubliche außenpolitische Leichtsinn müsse Folgen haben.

Bei einem Telefonat des russischen Präsidenten Boris Jelzin mit Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) am Montag spielte das Thema Plutoniumschmuggel nach Angaben des Bundespresseamtes keine Rolle.

Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien sieht derzeit keinen nennenswerten Markt für geschmuggeltes Plutonium. Bislang seien nur winzige Mengen aufgetaucht, berichtete IAEO-Sprecher David Kyd. „Wir haben keine Indizien dafür, daß Staaten beziehungsweise Terroristengruppen am Schwarzmarkt solche Waren suchen.“ Einzige Ausnahme sei der jetzt aufgeflogene Plutoniumschmuggel, über den sich Kyd aber nicht äußern wollte. Mit diesem Schmuggel befaßt sich nun am 20. April die Parlamentarische Kontrollkommission zur Überwachung der Geheimdienste. Politiker aller Bundestagsfraktionen hatten die Sitzung verlangt, um Aufklärung über eine mögliche Verstrickung des BND in die Affäre zu erhalten.

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