Schmidbauer & Co: Plutonium en gros

■ Regierung dementiert BND-Plutoniumschmuggel / BND-eeeeeeeeeeeeeKontrolleur unter Druck

Berlin (taz/dpa/AP) – Ein wütendes Dementi: Der im August letzten Jahres in München aufgeflogene Plutoniumschmuggel ist auf keinen Fall vom Bundesnachrichtendienst (BND) inszeniert worden. Das behauptete gestern Regierungssprecher Hausmann. Falsch seien demnach auch die Vorwürfe gegen den zuständigen Geheimdienstkoordinator, Bernd Schmidbauer (CDU). Auch BND-Chef Porzner wies in Pullach die Vorwürfe zurück. Er habe keine Information darüber, daß Mitarbeiter des BND dabei mitgewirkt hätten, das Plutonium von Moskau nach Deutschland zu schmuggeln, sagte er. Das hatte allerdings auch niemand behauptet. Die Aktion soll vielmehr ohne Wissen Porzners abgelaufen sein.

Allen Dementis zum Trotz werden der Plutoniumfund und die Verwicklung des BND darin ein parlamentarisches Nachspiel haben. Parteiübergreifend forderten gestern Union, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen eine Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission. Die Bündnisgrünen wollen darüber hinaus einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuß einsetzen. Stimmen von SPD und Grünen verlangen zudem Schmidbauers Rücktritt.

Der Spiegel hatte berichtet, der brisante Schmuggel sei von Anfang bis Ende eine Inszenierung des BND gewesen. Im August 1994 waren drei Männer verhaftet worden, als einer von ihnen mit 363,4 Gramm waffenfähigem Plutonium aus Moskau am Münchener Flughafen eintraf.

Während die Regierung noch dementiert, baut die Union bereits Auffanglinien: Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Joachim Hörster erklärte, unter bestimmten Umständen sei die Inszenierung von Plutoniumschmuggel durch die Geheimdienste gerechtfertigt. Der sicherheitspolitische Experte der SPD-Bundestagsfraktion, Norbert Gansel, erklärte dagegen, wegen der außenpolitischen Bedeutung dürften keine Zweifel über eine mögliche Beteiligung der Bundesregierung bestehenbleiben.

Die Münchner Staatsanwaltschaft ist unterdessen auf der Suche nach der undichten Stelle, aus der offenbar Akten über die BND-Aktion an den Spiegel weitergegeben wurden. Der Leiter der Staatsanwaltschaft, Dieter Emrich, betonte zwar, er sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der BND „in strafrechtlich relevanter Weise“ den Schmuggel des Plutoniums in die Bundesrepublik veranlaßt habe. Zugleich machte er aber deutlich, daß er die zitierten Akten, die auf eine Verstrickung des BND in die Aktion hindeuten, für echt hält.

Kollegial zeigte sich der frühere BND-Chef Heribert Hellenbroich: Ihm zufolge war es die Pflicht des BND, herauszufinden, ob russische Behörden teilweise die Kontrolle über bestimmte radioaktive Stoffe verloren hätten: „Von Inszenierung kann keine Rede sein. Ratten gibt es doch nicht deshalb, weil jemand einen Köder auslegt.“ Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom vom Forschungsinstitut für Friedenspolitik in Weilheim vertrat dagegen die Auffassung, der BND habe den Schmuggel inszeniert, um Einfluß auf die damalige Diskussion um das Verbrechensbekämpfungsgesetz zu nehmen. Er verwies darauf, daß der Fall einen Monat vor der Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes im September 1994 aufgeflogen sei. Der Pullacher Dienst habe möglicherweise das Gesetzgebungsverfahren manipulieren wollen. Seite 3

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