■ Entweder Staatsminister Schmidbauer (CDU) hat von dem vom Bundesnachrichtendienst eingefädelten Plutonium-Deal gewußt - dann ist er jetzt der Lüge überführt. Oder er hat nicht - das hieße aber,...
: Trottel oder Lügner bestraft das Leben

Entweder Staatsminister Schmidbauer (CDU) hat von dem vom Bundesnachrichtendienst eingefädelten Plutonium-Deal gewußt – dann ist er jetzt der Lüge überführt. Oder er hat nicht – das hieße aber, der BND kann schalten und walten, wie er will.

Trottel oder Lügner bestraft das Leben

Der Mann ist reif – für den schnellen Abgang. Die Tage des Bonner Geheimdienstkoordinators Bernd Schmidbauer, von seinen Mitarbeitern spöttisch auch „008“ genannt, dürften gezählt sein. „Ich lege meine Hand dafür ins Feuer“, hatte der Kanzlergehilfe mit starkem Drang zur Selbstinzenierung getönt, „daß der BND nicht als Nachfrager von illegal angebotenem Nuklearmaterial aufgetreten ist. Das habe ich dem Dienst untersagt.“ Das war im August 1994, und das war, wie dem ausführlichen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zu entnehmen ist, nachweislich falsch.

Die spektakuläre Sicherstellung von rund 360 Gramm waffenfähigem Plutonium im August 94 auf dem Flughafen in München ist von Anfang bis Ende von Mitarbeitern des Pullacher Geheimdienstes und unter Beteiligung des bayerischen Landeskriminalamtes provoziert und umgesetzt worden. Da hilft auch das jüngste Dementi dem Geheimdienstkoordinator nicht weiter. Tapfer behauptet „008“ zwar noch einmal: „Der Bundesnachrichtendienst hat zu keinem Zeitpunkt den Schmuggel radioaktiven Materials als Behörde oder durch einen Mitarbeiter initiiert.“ Doch die Wiederholung macht den Fall nicht ungeschehen und den innen- wie außenpolitischen Schaden auch nicht kleiner.

Schmidbauers erneute Festlegung stellt ihn vor die Wahl, sich als schlichten Trottel oder als simplen Lügner bloßzustellen. Im dem einen Fall hätte der Staatsminister von der haarsträubenden Aktion des Pullacher Geheimdienstes tatsächlich nicht gewußt. Das hieße, der BND kann schalten und walten wie er will – mit einem politischen Aufseher an der Spitze, dessen Weisungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie verfaßt werden. Im anderen Fall wäre Schmidbauer über den geplanten Plutonium-Deal der Schlapphüte unterrichtet. Dann wäre der CDU- Mann nicht nur der Lüge überführt. Er wäre damit unmittelbar für den ebenso riskanten wie unverantwortlichen Transport von Plutonium an Bord einer Lufthansa-Maschine zuständig. Dann ginge auch die Verstimmung zwischen Bonn und Moskau als Folge des Putonium-Bluffs auf sein Konto. In beiden Fällen, orakelte bereits SPD-Vizechefin Heidemarie Wieczorek-Zeul, könne es nur eine Konsequenz geben: den Rücktritt des dafür verantwortlichen Staatsministers.

Russen den Schwarzen Peter zugeschoben

Seit knapp einem Jahr versucht der Staatsminister Bernd Schmidbauer, sich als der oberste Experte und Fahnder in Sachen Nuklear- Schmuggel zu profilieren. Doch seine Erfolge sind bislang bescheiden. Im Mai letzten Jahres wurde der mutmaßliche Atomschmuggler Alfred Jäckle aus dem baden- württembergischen Tengen gefaßt. Sechs Gramm waffentaugliches Plutonium aus seinem Besitz waren sichergestellt worden. Nur wenige Tage später ließ Schmidbauer überraschend über die Medien verlautbaren, der Mann wolle auspacken, sich als Kronzeuge zur Verfügung stellen; er wolle seine Hintermänner und die Schmuggelrouten offenlegen, wenn im Gegenzug seine Haftbedingungen erleichtert würden.

An Justiz und Ermittlern vorbei nahm der Staatsminister den Kontakt zum Geständniswilligen und zu dessen Anwalt Gerhard Bätz auf. Mit Briefkopf „Staatsminister beim Bundeskanzler“ gab er dem Anwalt als Referenz in die Hand, er sei „in den nächsten Tagen in einer wichtigen unaufschiebbaren Angelegenheit für die Bundesbehörden tätig“. Etwaige Termine des Herrn Bätz mit Behörden gelte es deshalb „aufzuheben“. Dem tatendurstigen CDU-Politiker entging allerdings, daß der Anwalt hoffnungslos überschuldet war, ihm bereits die Zulassung entzogen worden war und mehrere Haftbefehle gegen ihn vorlagen. Anwalt Bätz nutzte im Gegenzug Schmidbauers Schreiben, um bei seinen Gläubigern einen Vollstreckungsaufschub zu erbitten – das Papier belege immerhin, er sei „für eine nationale Angelegenheit von höchster Brisanz“ tätig. Prompt zog anschließend Jäckle die Zusage zurück. Ein neuer Anwalt erklärte, sein Mandant habe „kein Interesse“ mehr, „irgendwelche Informationen oder Aussagen gegenüber unzuständigen Stellen zu machen“.

Profilieren wollte sich der Staatsminister zuvor auch als Agentenjäger. Im Sommer 93 hatte Schmidbauer mit beachtlichem Medienecho die Enttarnung von 2.000 ehemaligen Stasi-Agenten in der Bundesrepublik angekündigt. Aufgefordert zu erklären, wie er denn auf diese doch sehr hohe Zahl komme, hatte der Kanzlermitarbeiter behauptet, dies gehe aus Unterlagen hervor, die der russische Geheimdienst zur Verfügung gestellt habe. Die Auskunft war falsch. Der Kanzleramtsminister hatte, um die wahre Quelle – den US-Geheimdienst CIA – zu tarnen, schnell einmal den Russen den Schwarzen Peter zugeschoben. Die sind seither auf den Staatsminister sauer – und nach den neuesten Enthüllungen über den von A bis Z eingefädelten Atomdeal dürfte sich das Moskauer Urteil über des Kanzlers Mann fürs Zwielichtige nicht gerade gebessert haben.

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat gestern die vom Spiegel zitierten Akten über den Atomschmuggel als weitgehend authentisch bezeichnet. Behördenleiter Dieter Emrich sagte, er könne den Inhalt des gesamten Berichts zwar nicht bestätigen, einzelne Passagen seien aber „inhaltlich authentisch“. Emrich erklärte weiter, er habe aber „keine zureichenden Anhaltspunkte“, daß „der BND oder sonstige Sicherheitsbehörden“ sich bei dem Plutoniumtransport in strafrechtlich relevanter Weise verhalten hätten. Er gehe aber davon aus, daß die Umstände des Plutoniumtransports Gegenstand der Hauptverhandlung in dem Prozeß gegen die drei mutmaßlichen Schmuggler sein würden. Die im August in München festgenommenen Verdächtigen müssen sich ab 10. Mai wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vor dem Münchner Landgericht verantworten. Dann wird sich zeigen, ob auch die Angeklagten ihre Hände dafür ins Feuer legen wollen, daß der Bundesnachrichtendienst zu keiner Zeit den Bombendeal angeschoben hat. Wolfgang Gast