„Ein echter Wille zur Überwachung der Dienste fehlt, auch daran scheitert wirksame Kontrolle“

■ Manfred Such, Bundestagsabgeordneter und erster Grüner mit Sitz in der Parlamenta- rischen Kontrollkommission des Bundestages, über Konsequenzen für die Geheimdienste

Die Bündnisgrüne Fraktion im Bundestag hat wegen der Plutoniumschmuggel-Affäre einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuß und „Konsequenzen“ für Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer gefordert. Schmidbauer trage als Aufseher über die Geheimdienste die politische Verantwortung für den Fall, ob er davon gewußt habe oder nicht. Die taz sprach darüber mit Kriminalhauptkommissar a. D. Manfred Such, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und der erste Grüne, der einen Sitz in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Bundestages bekam. Die PKK soll die drei bundesdeutschen Geheimdienste Bundesnachrichtendienst (BND), Militärischer Abschirmdienst (MAD) und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) kontrollieren. Such ist einer der Gründer der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer PolizistInnen.

taz: Herr Such, gibt es Lehren aus dem Plutoniumschmuggel, den der BND selbst eingefädelt haben soll?

Such: Die alte Forderung von Bündnis 90/Die Grünen nach Auflösung der Geheimdienste wird durch diesen Fall aktueller denn je. Vielleicht weckt diese Aktion des BND diesmal auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit dafür, wie wichtig das wäre. Wir haben hier wieder einmal ein offen zutage tretendes Indiz dafür, daß der BND solche Stories immer wieder inszeniert, um sich der Öffentlichkeit als kompetent vorzuführen und die eigene Existenz zu legitimieren. Fälle wie jetzt das Plutoniumgeschäft und vor Jahren das Celler Loch sind da nur die Spitze des Eisbergs. Ich bin sicher, daß weit mehr gar nicht aufgedeckt wird.

Spanien, auf dessen Boden der Plutonium-Deal in weiten Teilen vorbereitet worden sein soll, ist angeblich ebenso verärgert wie Rußland, das sich vor einem Jahr böser Kritik an seiner mangelnden Aufsicht über die Plutonium-Bestände ausgesetzt sah. Sehen Sie auch innenpolitischen Schaden?

Ja, denn es ist in der Geschichte der Bundesrepublik durchgängig, daß mit solchen Feindbildern – hier das „unkontrollierbare Rußland“, die Gefahr aus dem Osten – Politik gemacht wird. Nicht nur von den Geheimdiensten, sondern auch vom Bundeskriminalamt. Das fing unter Adenauer mit der Kommunistenangst an, betraf später die APO, dann Baader/Meinhof und die RAF. Das Thema Organisierte Kriminalität, das 1982 nach einer Umfrage der Landes- und des Bundeskriminalamts noch ausdrücklich zu einem Nicht- Thema erklärt wurde, entdeckte man in den 90er Jahren, als klar wurde, daß sich damit Sicherheitspolitik treiben ließe. Und das Reizwort „Plutoniumschmuggel“ war die Steigerung von „Organisierte Kriminalität“.

Verantwortlich für den aktuellen Skandal soll ein Referat im BND sein, das erst nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation 1989 geschaffen wurde und für Drogenhandel und Geldwäsche zuständig ist. Weiten die Geheimdienste ihre Aufgaben zu recht aus?

Das sind eindeutig Aufgaben der Polizei. Dafür sind die Geheimdienste weder zuständig noch nötig. Den Verdacht konnte man schon früher haben, daß die Geheimdienste nach dem Verlust ihrer alten Feinde nach 1989 auf die Suche nach neuen Aufgaben und einer neuen Existenzberechtigung gingen. Der aktuelle Fall ist ein neuer Hinweis darauf.

Bündnis 90/Die Grünen haben Sondersitzungen des Innenausschusses und der Parlamentarischen Kontrollkommission gefordert. Was versprechen Sie sich davon?

Ich bin im Geschäft der Geheimdienstkontrolle noch sehr neu, aber mein erster Eindruck ist, daß ein echter Wille zur Überwachung der Geheimdienste dort fehlt und daß eine wirksame Kontrolle auch daran scheitert. Für den Haushalt aller drei Geheimdienste war zum Beispiel kürzlich nur eine einzige Sitzung der PKK vorgesehen. Da in dieser Legislaturperiode einige Neulinge in der Kommission sitzen, ließ sich das nicht so schnell erledigen. Es zeigte sich, daß die eine Sitzung nicht einmal reichte, um den Haushalt des BND unter die Lupe zu nehmen. Wir wollen nun diesen neuesten Fall eines Übergriffs des BND zum Anlaß nehmen, die Kontrolle durch die PKK auf sichere Füße zu stellen. Mehr verspreche ich mir allerdings von einer Aufarbeitung im Innenausschuß, also in aller Öffentlichkeit, nicht im Geheimen wie bei der PKK. Die Sache ist inzwischen durch den Spiegel so weit aufgedeckt, daß das Argument Geheimhaltung auch nicht mehr ziehen dürfte.

Was sagen Sie dazu, daß der BND sein Plutoniumgeschäft wesentlich über einen eigenen Mann in der deutschen Botschaft in Madrid eingefädelt hat?

Im Hause eines Freundes, und Spanien ist eine befreundete Nation, haben Spitzel nichts zu suchen. Was da geschehen ist, ist ein Vertrauensbruch. Interview: Andrea Dernbach